Drama in vier Akten: Die Inszenierung der Regierung

Neues Pressefoyer nach dem Ministerrat: Vizekanzler Heinz-Christian Strache, Kanzler Sebastian Kurz und Regierungssprecher Peter Launsky-Tieffenthal (v. l.) im Kongresssaal des Bundeskanzleramts.
Neues Pressefoyer nach dem Ministerrat: Vizekanzler Heinz-Christian Strache, Kanzler Sebastian Kurz und Regierungssprecher Peter Launsky-Tieffenthal (v. l.) im Kongresssaal des Bundeskanzleramts.(c) APA/HERBERT NEUBAUER (HERBERT NEUBAUER)
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Beim Ministerrat werden nicht nur die formalen Beschlüsse gefasst, er dient auch der medialen Inszenierung. Das Drehbuch ist bei jeder Regierung etwas anders. Wie Türkis-Blau sich öffentlich präsentiert.

Prolog

Der neue FPÖ-Klubchef Johann Gudenus zeigt seinen Hang zu kontroversiellen Äußerungen. Am Tag vor der ersten Ministerratssitzung sagt Gudenus im ORF, man wolle Asylwerber am Stadtrand unterbringen, dort wo nicht so viele Menschen wohnen. Denn: Man wolle den Migranten zeigen, dass es in Österreich doch nicht so gemütlich ist, wie alle glauben.

Akt I

INNEN-KANZLERAMT-STEINSAAL-AUFTRITT DER FPÖ-MINISTER

Es gibt den Ministerrat und danach das Pressefoyer – so der bisherige Ablauf. Die Regierung Kurz-Strache führt nun ein neues Setting ein: „Doorsteps“ vor dem Ministerrat. Im Steinsaal, das ist der Raum vor dem Ministerratssaal, sind zwei Mikrofone aufgebaut. Zehn Minuten vor Beginn des Ministerrats trifft die FPÖ-Regierungsriege geschlossen ein – und eilt an den Mikrofonen vorbei – allerdings auf die falsche Tür zu: Dort geht es hin zum Büro des Bundeskanzlers. Kurz darauf kommen die FPÖ-Minister zurück – diesmal gehen sie richtig.

AKT II

INNEN-KANZLERAMT-STEINSAAL-AUFTRITT DER ÖVP-MINISTER

Die ÖVP will die „Doorsteps“ nutzen, Justizminister Josef Moser wird vorangeschickt, er erzählt, dass er nun in Sachen Staatsreform umgehend das umsetzen will, was er als Rechnungshofpräsident aufgezeigt hat. Als erstes Projekt kündigt er eine Rechtsbereinigung an. Finanzminister Hartwig Löger kündigt eine schon im nächsten Jahr wirksame Entlastung für die unteren Einkommensschichten an. 600.000 Österreicher werden mit durchschnittlich 300 Euro profitieren. Welche Maßnahme das sein wird? Löger reagiert nicht auf die Zurufe der Journalisten und eilt weiter.
Dann ein etwas unglücklicher Auftritt von Karoline Edtstadler, der neuen Staatssekretärin im Innenministerium. Die frühere Staatsanwältin trägt einen offensichtlich auswendig gelernten Text über eine geplante Gedenkstätte vor. An der Präsentation ließe sich noch arbeiten, die Austria Presseagentur schreibt, dass der Auftritt an eine Schulaufführung erinnere. Auch Edtstadler zeigt sich wenig diskussionsfreudig, eine Journalistenfrage, ob sie nun die „Aufpasserin“ von FPÖ-Innenminister Herbert Kickl sei, ignoriert sie und eilt weiter.

AKT III

INNEN-KANZLERAMT-MINTERRATSSAAL ERSTE SITZUNG DER NEUEN REGIERUNG

Es geht endlich los: Der erste Ministerrat von Türkis-Blau startet mit 15 Minuten Verspätung. Während die Journalisten wie üblich zum Warten verdammt sind, kann die neue Regierung ihre ersten Beschlüsse fassen. Doch was soll eine Regierung beschließen, die gerade erst einmal einen Tag im Amt ist und ihre Büros noch gar nicht richtig bezogen hat? So sind es in erster Linie Vorhaben mit Symbolcharakter: 150.000 Euro werden aus dem Auslandskatastrophenfonds freigegeben. Damit sollen 4000 syrische Flüchtlinge in Jordanien unterstützt werden. „Hilfe vor Ort“, lautet das Motto. Laut jordanischer Regierung leben 1,3 Millionen syrische Flüchtlinge im Land.
Weiters wird eine Gedenkstätte für ermordete Juden in Maly Trostinec bei Minsk unterstützt. 10.000 Österreicher sollen dort umgekommen sein. Das ist ein Signal im Vorfeld des Gedenkjahres – und eine Anleihe bei der Regierung Schüssel: Auch die war angesichts internationaler Kritik besonders bemüht, historische Gesten zu setzen – etwa hinsichtlich großzügiger Regelungen in der Restitutionsfrage.
Die weiteren Beschlüsse beziehen sich auf die Inszenierung der Regierung selbst: So wird es ein einheitliches Corporate Design, also ein gemeinsames Erscheinungsbild der Ministerien geben. Und Peter Launsky-Tieffenthal wird, wie schon angekündigt, als Regierungssprecher bestellt.
Und was ist mit der von Finanzminister Löger angekündigten Entlastung der niedrigen Einkommen? Da gibt es vorerst einmal nur die Absichtserklärung einer Absichtserklärung. Die neue Sozialministerin Beate Hartinger (FPÖ) kündigte eine Senkung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge für Einkommen unter 1948 Euro an. Gleichzeitig sollen die Einkommenssteuertarife angepasst werden. Die Eckpunkte der Neuregelung werden gemeinsam mit dem Finanzministerium ausgearbeitet und bei der geplanten Regierungsklausur am 4. und 5. Jänner vorgestellt. In Kraft treten soll diese Maßnahme frühestens mit 1. Juli kommenden Jahres.

AKT IV

INNEN-KANZLERAMT-KONGRESSSAAL KURZ, STRACHE (beide lächelnd)

Mehr als eine Stunde dauert der Ministerrat, dann der erste Auftritt von Kanzler Sebastian Kurz und Vizekanzler Heinz-Christian Strache beim Pressefoyer. Das findet wie bisher üblich im Kongresssaal statt, und wie bei jeder neuen Regierung üblich in neuer Form: Kanzler und Vizekanzler stehen an Pulten, die aber diesmal an der breiteren Fensterseite angebracht sind. Das macht Sinn: So findet auch die ständig steigende Zahl an Fernsehkameras Platz. Hinter dem Pult sind Flaggen angebracht: Je dreimal die Österreich- und die Europafahne sowie zweimal die Fahne von jedem Bundesland.
Welche Rolle der Regierungssprecher spielen wird, ist noch nicht ganz klar. Diesmal tritt er mit Kanzler und Vizekanzler auf und moderiert die Fragerunde. Wird er künftig alleine vor die Medien treten? Oder gemeinsam mit Fachministern? Alles scheint möglich zu sein. Kurz und Strache werden jedenfalls nicht jede Woche dabei sein. Aber: „Wir werden regelmäßig informieren“, sagt Kurz. „Dieses Weihnachtsgeschenk machen wir Ihnen nicht, dass das der letzte gemeinsame Auftritt ist.“
Viele unangenehme Fragen müssen die Regierungschefs bei diesem Auftritt nicht beantworten. Wer neuer Verfassungsgerichtshofpräsident wird und ob dieser Personalie schon entschieden ist? Ist sie nicht, sagt Kurz. Aber er sei sich bewusst, dass die Nachfolge von VfGH-Präsident Gerhart Holzinger eine Aufgabe sei, „die auf uns zukommt“. Kurz gibt auch die Regierungskoordinatoren bekannt: Kanzleramtsminister Gernot Blümel wird diese Aufgabe für die ÖVP übernehmen, Finanz-Staatssekretär Hubert Fuchs für die FPÖ.
Die einzige unangenehme Frage hat der Vizekanzler zu beantworten: Was er denn von den Aussagen seines Klubchefs Gudenus halte, Asylwerber in Quartieren am Stadtrand unterzubringen? Strache weicht aus. „Am besten fragen Sie ihn das selbst, ich habe keine Ahnung, wie er sich das vorstellt.“ Und er habe auch noch nicht mit Gudenus darüber geredet. Unterstützung für einen Parteifreund sieht anders aus.

Epilog

Im Wiener Rathaus sorgt der Vorschlag für Kopfschütteln. „Bei den ungefähr 13.000 Flüchtlingen, die wir in Privatquartieren haben, da möchte ich wissen, wo die 150 Flüchtlingsquartiere hinkommen“, sagt Bürgermeister Michael Häupl. „Vielleicht in die Sisi-Villa im Lainzer Tiergarten.“
Die geplante Senkung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge kommt bei SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch nicht gut an: 3,4 Millionen Menschen hätten nichts davon, weil sie entweder so wenig verdienten, dass sie gar keine Beiträge zahlten, oder weil sie Pensionsbezieher seien. Positiv reagieren die Neos. Weil: Mehr Netto vom Brutto.

 


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