"Kein Alleingang" bei Doppelpass

Bundeskanzler Sebastian Kurz sicherte dem EU-Parlamentspräsidenten Tajani zu, dass die Frage der Doppelstaatsbürgerschaft für Südtiroler im Einklang mit Italien gelöst werde.

EU-Parlamentschef Antonio Tajani hat Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) sein Vertrauen ausgesprochen. Der Italiener lobte am Mittwoch in Brüssel nach einem Treffen mit Kurz insbesondere dessen Erklärungen zu der geplanten doppelten Staatsbürgerschaft für Südtiroler. Er lud Kurz zudem ins EU-Parlament nach Straßburg ein.

"Persönlich vertraue ich diesem jungen Bundeskanzler sehr, und ich glaube, dass mit ihm Europa große Schritte nach vorne machen wird", sagte Tajani. Er habe einen sehr guten Eindruck von dem Treffen und freue sich, dass der neue Kanzler seine erste Auslandsreise nach Brüssel unternommen habe. "Das ist eine positive Botschaft für Europa", und "das beweist die proeuropäische Haltung seiner Regierung" Österreich wolle eine Hauptrolle im EU-Reformprozess spielen.

Als EU-Parlamentspräsident und Europafreund freue er sich auch über die Aussage des Kanzlers zu Doppelpässen. "Seine Worte haben mir versichert, dass keine Initiative im Alleingang eingeleitet wird, sodass Europa nicht nach hinten geht, sondern weiter nach vorne schauen wird", sagte Tajani.

Premier Gentiloni, ein "persönlicher Freund"

Kurz erklärte, es gebe den Wunsch der Südtiroler nach doppelter Staatsbürgerschaft. Ein solches Interesse hätten auch Kinder der Opfer des Nationalsozialismus und Österreicher in Großbritannien, die unter dem Brexit leiden. "Seien Sie aber versichert, dass wir ein ausgezeichnetes Verhältnis mit Italien nicht nur heute haben, sonder auch in Zukunft haben wollen, Italien ist unser Partner. Der Premierminister ist ein persönlicher Freund von mir", erklärte er. Kurz kennt Italiens Premier Paolo Gentiloni aus dessen Zeit als Außenminister. In einem gemeinsamen Europa "gehört es sich, dass wir diese Vorhaben natürlich eng mit Rom besprechen werden."

Themen des Gesprächs zwischen Kurz und Tajani waren auch der Kampf gegen den Terrorismus, die illegale Migration, die Jugendarbeitslosigkeit, die EU-Reformen und der österreichische EU-Ratsvorsitz in der zweiten Hälfte 2018. Österreich sei ein proeuropäisches Land, das aktiv in der EU mitgestalten wolle, so Kurz. Österreich wolle einen Beitrag leisten für mehr Subsidiarität in der EU und dazu beitragen, dass Krisen wie die Migrationsfrage überwunden werden. "Wir wollen auch einen Beitrag leisten, dass die Spannungen in der EU, die zwischen Ost und West entstanden sind, wieder reduziert werden können."

Auftrieb für Südtiroler Separatisten

Während seines EU-Ratsvorsitzes strebe Österreich eine intensive Zusammenarbeit mit dem Europaparlament an, sagte Kurz. Tajani betonte, er habe Kurz nach Straßburg zu einem "echten Gespräch" mit allen Fraktionen eingeladen, wie er dies bei allen Premierministern mache. Wann der Besuch stattfinden soll, sagte er nicht. Außerdem habe er Kurz für den österreichischen EU-Vorsitz seine Unterstützung versprochen. Die Fraktionschefs des EU-Parlaments würden im nächsten Juni in Wien ein Treffen abhalten.

Die ehemalige Südtiroler Landtagsabgeordnete Eva Klotz begrüßt indessen den Beschluss, die Wiedererlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft für Südtiroler ins Regierungsprogramm aufzunehmen. "Endlich, seit vielen Jahren arbeiten wir für den Doppelpass", sagte Klotz im Interview mit der italienischen Tageszeitung "La Stampa". Ihr Ziel bleibe jedoch ein Selbstbestimmungsreferendum für Südtirol.

"Der Doppelpass ist ein Symbol und bedeutet eine engere Beziehung zum österreichischen Vaterland. Es wird keine Pflicht sein, den Doppelpass zu fordern. Wichtig ist, dass derjenige, der ihn will, ihn erhalten kann. Das nennt man Freiheit", sagte die Gründerin von Südtirol Freiheit.

"Los von Rom" sei nach wir vor ihr Slogan. "Wir fordern weiterhin ein Selbstbestimmungsreferendum. Das ist ein Recht unseres Volkes. Wir sind nicht Italiener und können nicht zu Gefühlen gezwungen werden, die uns nicht eigen sind", meinte die Ex-Landesabgeordnete.

Lob für die FPÖ

Ihr Ziel sei nach wie vor die Wiedervereinigung Tirols. "Da die EU dies nicht erlauben will, wie es auch aus ihrer Haltung im Umgang mit Katalonien hervorgeht, können wir zumindest engere Beziehungen zu Österreich und mit unseren Nordtiroler Brüdern unterhalten", sagte Klotz.

Klotz lobte die FPÖ. "Sie ist die Partei, die sich am stärksten für Südtirol engagiert hat. Sie hat ein Versprechen gemacht und es auch gehalten", meinte Klotz. Die Pläne der Regierung in Wien hätten die SVP in Schwierigkeiten versetzt. "Die SVP muss den Vorschlag unterstützen, obwohl sie nichts dafür getan hat", so Klotz.

"Nationalistischer Wind"

Bozens Bürgermeister Renzo Caramaschi hat die Entscheidung von ÖVP und FPÖ, die Wiedererlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft für Südtiroler ins Regierungsprogramm aufzunehmen, kritisiert. Als "politische Provokation" der neuen Regierung in Wien bezeichnete Caramaschi den Vorschlag der Regierungsparteien.

Der Plan der Regierungskräfte sei Ausdruck des "nationalistischen Windes" in Österreich. "Es werden Barrieren errichtet, Europa ist schwach. Man verschließt sich und denkt, dass man sich so vor dem Sturm rettet", so Caramaschi laut der italienischen Nachrichtenagentur ADNKronos.

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