Rücktrittswelle: Dauerkrise in Mays Kabinett

Damien Greens Abgang aus Downing Street.
Damien Greens Abgang aus Downing Street.(c) imago/ZUMA Press (Tolga Akmen)
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Großbritannien. Premierministerin verlor ihren Vertrauten Damian Green.

London. Die Reihen um Theresa May lichten sich. Mit dem Rücktritt ihres Stellvertreters Damien Green in der Nacht auf Donnerstag verlor die britische Premierministerin nicht nur den dritten Minister in zwei Monaten, sie muss nunmehr auch auf ihren engsten politischen Mitstreiter verzichten. Allein: „Mit außerordentlichem Bedauern“ habe sie sich gezwungen gesehen, den bisherigen First Minister aus seinem Amt zu entlassen, erklärte May, nachdem Green Falschaussagen zu Ermittlungen nachgewiesen werden konnten.

Die Affäre um Green geht ins Jahr 2008 zurück, als die Polizei bei der Suche nach Leaks aus Parlamentsbüros auf dem Amtscomputer des damaligen Abgeordneten der Konservativen „extreme Pornografie“ gefunden haben will. Green hat stets bestritten, in Diensträumen derartiges Material heruntergeladen oder angesehen zu haben. Ein zweiter Vorwurf gegen ihn wurde 2015 erhoben, als ihm die Journalistin Kate Maltby „unerwünschte Avancen“ anlastete.

Ein Studienfreund aus Oxford

Während sich der verheiratete 61-Jährige für seine Annäherungsversuche an die heute 31-jährige Maltby mittlerweile entschuldigt hat, wurde ihm zum Verhängnis, dass er zum Stand der Polizeiermittlungen nicht die Wahrheit gesagt hatte. Er behauptete, der Vorwurf, im Parlamentsbüro Pornos geschaut zu haben, sei nie formell erhoben worden. Das war falsch, und dieser Verstoß gegen die ministeriellen Vorschriften wurde ihm nun zum Verhängnis.

Damit stürzt er May, mit der er vor 40 Jahren als Student in Oxford gemeinsam zu den Konservativen gestoßen war, in eine neue politische Krise. Nicht nur hat May keine Mehrheit im Unterhaus, auch ein Kandidat für die Nachfolge Greens drängte sich vorerst nicht auf. Die Konservativen sind weiter zutiefst in der Europa-Frage zerstritten, und die Personaldecke ist dünn.

Green war ein erklärter Anhänger eines „weichen Brexit“ und ergriff in Kabinettssitzungen regelmäßig Partei für die gemäßigten Kräfte rund um Schatzkanzler Philip Hammond und Innenministerin Amber Rudd. Diese Fraktion schien zuletzt die Oberhand zu haben, nachdem die Ergebnisse der ersten Phase der Brexit-Verhandlungen ein weitgehendes Nachgeben Londons gegenüber den Positionen der EU erbracht hatten.

Schwer zu ersetzen wird Green aber auch in seiner zweiten Funktion sein: Als „Auge und Ohr“ der Premierministerin saß er in Dutzenden Komitees und Gremien. Nicht nur vertrat er die Regierungschefin, sondern er sammelte auch Informationen über Meinungs- und Stimmungslage in der Parlamentsfraktion, zu der die hermetisch abgeschlossen agierende May sonst kaum Zugang hatte. Er war, was in der Politik eine Seltenheit ist, ein persönlicher Freund der Premierministerin. Ihre Führungsposition wackelt nun jeden Tag mehr.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.12.2017)

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