Polizeigeneral: "Nach Einbruch nicht aufräumen"

General Franz Lang im diepresse.com-Chat
General Franz Lang im diepresse.com-Chat(c) Philipp Splechtna
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livechat Der Chef des Bundeskriminalamts, General Franz Lang, hat im DiePresse.com-Chat Fragen zur steigenden Einbruchskriminalität und der Strategie der Ermittler beantwortet.

  • 09:00  Franz LangSchönen guten Morgen - heute geht es um ein Thema, über das sehr viel geredet werden muss.
  • 09:04  bad copZur Bekämpfung der Kriminalität benötigt man "auch" Kriminalbeamte. Diese wurden im Zuge der Reform abgeschafft. Es werden auch keine Kriminalbeamten mehr ausgebildet. Frage: Möchten Sie, dass wieder dezidiert "Kriminalbeamte" ausgebildet werden ?
  • ANTWORT VON Franz Lang:
    Das stimmt so eindeutig nicht. In Österreich wurden die letzten Jahre, auch vor der großen Polizei-Reform, schon 80 Prozent der Kriminalität von den sogenannten uniformierten Polizisten bearbeitet, in Wien beinahe 50 Prozent. Spezialisierte Kriminalbeamte bishin zu den Topspezialisten in den Landeskriminalämtern und im Bundeskriminalamt laufen viele, viele Module der Spezialausbildung durch. In einem haben wir aber einen Schritt gesetzt, um uns zu verbessern. Junge dienstführende Beamte erhalten eine kriminalpolizeiliche Grundausbildung, das ist neu und wird seit heuer durchgeführt. Weiters wird bei den eingeteilten Beamten das kriminalpolizeiliche Basishandwerk neu geschult. Aber es wird eben keine zwei Polizeien mehr geben.
  • 09:07  featurecheckWürden strengere grenzkontrollen wieder weniger einbrüche bedeuten?
  • ANTWORT VON Franz Lang:
    Nur bedingt. Die meisten Tätergruppen, die bei uns unterwegs sind, waren es schon vor der Grenzöffnung. Für diese spielen eine berechenbare Hürde wie die Grenzlinie eigentlich wenig Rolle. Effizienter ist es, sie irgendwo im Inland, irgendwo auf einer Autobahn überraschend zu kontrollieren. Generell muss aber gesagt werden, dass bei freiem Personenverkehr, freiem Warenverkehr, freiem Kultur- und Schüleraustausch zum Beispiel es allgemein natürlich auch zu einer freieren Bewegung von Kriminalität kommt.
  • 09:10  BrunhildeWas empfehlen Sie den Bürgern, um sich vor Einbrüchen zu schützen - Alarmanlage, Hund?
  • ANTWORT VON Franz Lang:
    Darüber gibt es sehr viel zu informieren. Und am zielgenauesten ist die Information, wenn Sie sich bei Ihnen zu Hause vor Ort beraten lassen. Wichtig sind nämlich Gegebenheiten wie Haus, Wohnung, Fenster und Türen, Beleuchtungsverhältnisse, die Beschaffenheit der Umgebung, Verkehrswege rundherum und und und. Also am besten die nächsten Polizei-Dienststelle kontaktieren und um ein Beratungsgespräch ersuchen. Sie bekommen dann auch allgemeines Informationsmaterial zugeschickt.
  • 09:13  Hobby ÖkonomikusWenn die meisten Einbrecher in Ostösterreich Banden aus Osteuropa sind - gibt es dann überhaupt irgendeine Chance, sie zu fassen?
  • ANTWORT VON Franz Lang:
    Ja sicher. Und es sind deren gar nicht so wenige und werden Gott sei Dank in den letzten Monaten immer mehr. Das heißt auch wir, die Polizei, lernen immer - wenden neue Methoden an. Ganz wichtig ist die internationale Fahndung, es werden immer mehr Täter, die bei uns Straftaten begangen haben, in den östlichen Nachbarländern verhaftet. Wichtig dabei ist, dass unsere Kollegen in diesen Ländern mit den gleichen Methoden arbeiten wie wir (DNA, Fingerabdrücke, etc.), dass wir diese Beweisführung dann auch bei uns vor Gericht bringen können.
  • 09:15  featurecheckdarf ich mich mit einer pistole vor einbrechern schützen?
  • ANTWORT VON Franz Lang:
    Die Rechtslage ist eindeutig. Sie müssen das Besitzrecht für diese Waffe erwerben. Beantragen Sie das bei Ihrer Bundespolizei-Direktion oder bei der Bezirks-Hauptmannschaft. Sie müssen einige Voraussetzungen mitbringen, z.b. das Alter und einen tadellosen Leumund. Nähere Infos gibt es bei den Behörden.
  • 09:18  audiophilIm Sommer wurde groß die SoKo Ost angekündigt, warum sind die Zahlen im Osten nicht besser geworden?
  • ANTWORT VON Franz Lang:
    Die Zahlen sind seit Sommer (August) kontinuierlich besser geworden, besonders in den Bereichen, die polizeilich intensiv "bearbeitet" wurden. Ich bin auch sehr optimistisch, dass wir die Ernte all dieser Bemühungen seit Sommer in den nächsten Monaten einfahren werden. Denn die Polizisten in der Ostregion arbeiten wirklich Tag und Nacht an der Leistungsgrenze, um diesen Hype zu bewältigen und die Kriminalität zu senken. Und sie haben Gott sei Dank immer mehr Erfolg dabei.
  • 09:19  DiePresse.com.Moderator
  • 09:22  Rosa Schmidt-VierthalerWieviel Zeit verwenden denn die Ermittler im Durchschnitt auf einen "normalen" Wohnungseinbruch? Werden Fingerabdrücke gesucht oder was macht die Polizei da genau?
  • ANTWORT VON Franz Lang:
    Das ist ganz ganz unterschiedlich. In der Regel wird der Tatort besichtigt, versucht, den Weg des Täters oder der Täter zu interpretieren und jene Stellen zu finden, an denen Spuren aufzufinden sein müssten. Werden die Spuren dann gefunden, dauert es länger, denn es gibt viele Methoden diese zu sichern und das ist eine Spezialistenarbeit. Abgleiche in den Datenbanken geben uns dann Auskunft, ob diese Täter schon an anderen Tatorten aktiv waren, in vielen Fällen liefern sie uns auch gleich den Namen dazu. Am Tatort selbst folgt dann in der Regel die Befragung der Betroffenen etc. Also kann das von einigen Minuten über Stunden oder sogar Tage dauern.
  • 09:27  DiePresse.com.Moderator
  • 09:28  bird72Laut Zeitung wollen Sie Bürgerbeteiligungsprojekte gegen Einbrecher verstärkt unterstützen. Kommt jetzt "neighbourhood watch", oder wie kann man sich das Vorstellen?
  • ANTWORT VON Franz Lang:
    Was in halb Europa und Angloamerika funktioniert, sollte auch in österreichischer Ausprägung bei uns funktionieren. Und es gibt durchaus positive Beispiele, ich nenne hier nur "Pro-Nachbar" in Wien-Speising. In unserem historischen Verwaltungsverständnis ist das zugegebener Maßen noch ein bißchen fremd. Seit Kaisers und Metternichs Zeiten sind wir daran gewöhnt, dass sich ausschließlich Vater Staat um die Sicherheit kümmert. Es ist aber so, dass Sicherheit und Schutz vor Kriminalität am wirksamsten im Zusammenwirken aller Faktoren und Akteure entsteht. Solche Projekte, gut aufgesetzt, bewirken eine Win-win-Situation. Der Bürger erhält aktuellste Information, Beratung und hat Ansprechpartner, die Polizei erhält direktes Feedback und Informationen von den Bürgern. Ich kenne hier enorm positive Beispiele.
  • 09:30  antigaunerVersucht die Polizei eigentlich, den Einbrechern Fallen zu stellen? Also beispielsweise ein unbewohntes Haus zu mieten und so attraktiv wie möglich für die Einbrecher zu machen.
  • ANTWORT VON Franz Lang:
    Das gerade nicht, aber sonst gibt es viele Fallen mit sehr ausgeklügelten Techniken. Gott sei Dank habe ich die bei diversen Krimis wie CSI etc. noch nicht gesehen, sonst müssten wir wieder Neues entwickeln. Aber unsere sogenannten Fallen funktionieren.
  • 09:34  bird72Die Aufklärungsquote insgesamt liegt bei 40 Prozent, aber nur 5 Prozent der Wohnungseinbrüche werden geklärt. Warum dieser große Unterschied?
  • ANTWORT VON Franz Lang:
    Weil diese Klärungsarbeit die schwierigste ist. Einerseits gibt es sehr viele Delikte, dann wurde meistens nach der Tat zusammengeräumt, aufgewischt und vielfach "privat besichtigt". Die Ausforschung der Täter gestaltet sich auch insofern schwierig, weil es in aller Regel keinen Bezug des Täters zum Tatort gibt und die Täter enorm mobil sind. Es wird aber aufgrund der Spurenarbeit und der Datenbanken dahinter gelingen, noch eine ganze Reihe von Delikten im Jahr 2009 zu klären. Momentan am Jahresbeginn liegen wir allerdings auf einem nicht befriedigenden Klärungsniveau.
  • 09:38  LogikerWarum steht niemand bei der Polizei (in Wien) auf und sagt: "Wir haben einfach zuwenige Beamte!" Ist das politisch motiviert, denn die leeren Versprechungen der Ministerin über wundersame Personalvermehrung glaubt keiner mehr!?
  • ANTWORT VON Franz Lang:
    Das passiert meiner Erinnerung nach laufend. Das wird auch von der Polizeiführung und der Ministerin so gesehen. Man hat auch reagiert, wir werden mindestens 1000 Beamte mehr haben. Seit einem Jahr sind unsere Ausbildungsstätten bis zum Dachboden voll mit Kursen. Es müssen sogar Ausbildungskapazitäten beim Bundesheer angemietet werden. Ich bin seit 30 Jahren bei der Polizei, ich glaube nicht, dass wir jemals so viele Junge in Ausbildung hatten. Allerdings dauert diese zwei Jahre, und für den Kriminaldienst sind weitere sehr spezialisierte Module erforderlich.
  • 09:41  halvavonflakeWarum wurde die in Österreich von Osteuropäern verursachte Kriminalität in den letzten Jahren immer verharmlost oder totgeschwiegen. Lag dahinte ein politisches Konzept oder wussten es die Verantwortlichen einfach nicht besser?
  • ANTWORT VON Franz Lang:
    Das sehe ich nicht so. Die Zahl der Täter aus Osteuropa wurde immer kommuniziert. Klar ist, dass es eine entscheidende Entwicklung gab: Das war 1989 der Fall des eisernen Vorhangs und die dann beginnende Mobilität in diesen Ländern in den 90er Jahren. Es hat sich aber auch auf polizeilicher Seite inzwischen viel getan und die Performance der Polizei in diesen Ländern wird enorm gesteigert. Das ist meiner Meinung nach das ZIELFÜHRENDSTE, diese Entwicklungen immer wieder abzufangen.
  • 09:46  csagmeisterSehen Sie die Schengen-Ost-Erweiterung als einer der Hauptgründe der gestiegenen Kriminalität an?
  • ANTWORT VON Franz Lang:
    Nein. Jedenfalls ist das kein Hauptgrund. Wir haben nach dem Dezember 2007 uns die Kriminalität in Österreich sehr genau angesehen und festgestellt, dass die Tätergruppen auch schon vor dem Dezember 2007 generell bei uns tätig waren. Wie gesagt war für diese Tätergruppen die Grenzlinie bei uns im Osten in vielen Fällen berechenbarer und damit leichter überwindbarer als überraschende Fahndungsmaßnahmen irgendwo im Land. Aber natürlich kann man nicht in Abrede stellen, dass hürdenlose Mobilität und grenzenlose Freiheit nicht nur dem Tourismus und der Wirtschaft oder auch z.b. dem Schüleraustausch dient, sondern auch der Kriminalitätsmobilität allgemein. Allerdings ist für Österreich zu sagen, dass jene Täter, die uns am meisten Sorgen machen, jenseits der neuen Schengen-Grenzen zu Hause sind. Z.b. Serbien, Moldawien, Georgien.
  • 09:48  featurecheckbei "überraschenden" kontrollen auf autobahnen im inland, woran würden sie da einen einbrecher erkennen?
  • ANTWORT VON Franz Lang:
    Aus taktischen Gründen kann man hier nicht allzu viel veröffentlichen. Grundsätzlich interessiert uns der Fahrer, die Mitfahrer, das Auto selbst, Geräte und Werkzeuge im Fahrzeug, Dokumente und so weiter. Und wir schöpfen aus einem Fahndungsdatensatz von ca. 25 Millionen Eintragungen allein im Schengen-Informationssystem.
  • 09:52  antigaunerWie soll man sich eigentlich verhalten, wenn man merkt, dass jemand in das eigene Haus einbricht und man selbst im Bett liegt?
  • ANTWORT VON Franz Lang:
    Weiß, das ist nicht gesund, aber Handy am Nachtkastl und 133 wählen, dann ruhig verhalten, das Handy für einen Rückruf jedenfalls "freihalten" und auf lautlos stellen. Sollte sich der Täter weiter weg oder in anderen Räumen befinden, ein Licht aufdrehen. Das bewirkt in 99,9 Prozent der Fälle die Flucht. Dann versuchen aus dem Fenster zu schauen und Hilfreiches wahrzunehmen. Jene Stellen, an denen der Täter gearbeitet hat sowie Fußspuren usw. jedenfalls nicht reinigen. Die Polizisten sind durchwühlte Tatorte gewohnt und stoßen sich nicht an "UNORDENTLICHEM".
  • 09:55  amadeaNach einem Einbruch bei einer Bekannten, wurde ihr, von Seiten der Spurensicherung, wenig Hoffnung auf Aufklärung gemacht. Begründung: Die Einbrecher sind oft ehem. Geheimdienst-Agenten aus dem Osten, die sehr "professionell" arbeiten.Stimmen Sie zu?
  • ANTWORT VON Franz Lang:
    Das stimmt leider in einigen Fällen, trotzdem ist auch hier die Suche nach Spuren wichtig. In aller Regel werden Täter im Laufe des Einbruchs unvorsichtiger. Was wir natürlich feststellen, ist eine doch gute Kommunikation und vor allem Information zwischen Tätergruppen. Es wird genau wahrgenommen, wie die Polizei arbeitet und warum sie Erfolge hat. Diese Fehler versuchen sie dann sofort zu vermeiden.
  • 09:57  parapenteWarum nimmt man die negativen Erfahrungen vom entwaffneten England und die positiven der "Gun Town" Kennesaw, Georgia, USA, nicht zur Kenntnis?
  • ANTWORT VON Franz Lang:
    Das ist Ansichtssache. Ich kenne sehr sehr positive Erfahrungen und Entwicklungen im "entwaffneten" England und - ich war dort selbst mehrmals über Monate auf Ausbildung - negative Beispiele in amerikanischen "Gun Towns".
  • 10:00  enzoWenn es bekannt war das die Täter die freien Grenzen nutzen warum wurden schon im Vorfeld nicht effizientes dagegen unternommen ? Bevor die Öffnung aktuell wurde ?
  • ANTWORT VON Franz Lang:
    Es wurde viel unternommen. Einerseits in den Ländern selbst, wir haben die dortige Polizei trainiert und geschult und es wurden die erforderlichen Methoden und Instrumente dort eingeführt, um erfolgreich Kriminalität zu bekämpfen. Auf der anderen Seite haben wir die Zusammenarbeit enorm verstärkt. In allen diesen Ländern arbeiten österreichische Kriminalbeamte um sicherzustellen, dass wir, sobald wir über einen Verdacht verfügen, in diesen Ländern sofort die notwendigen Schritte unternommen werden. Gesuchte Täter, aber auch fast die Hälfte der Fahrzeuge, die bei uns gestohlen werden, können wir so in diesen Ländern wieder auffinden.
  • 10:01  DiePresse.com.ModeratorVielen Dank an General Lang, dass er sich für unseren Chat Zeit genommen hat. Wie immer auch danke an alle User für die Fragen. Bis zum nächsten Mal.
  • 10:03  Franz LangVielen Dank für die Fragen und die Informationen. Eine Bitte noch zum Schluss, bleiben Sie mit Ihrer Polizei in Verbindung, reden und informieren hilft uns enorm bei der Arbeit. Danke!

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