Selbstzweifel können die Karriere gefährden

Mirjam Zanchetta
Mirjam Zanchetta(c) Andreas Kolarik
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Menschen, die sich trotz anerkannter Erfolge als Versager fühlen, leiden unter dem „Hochstaplerphänomen“. Salzburger Wissenschaftlerinnen haben Wege aus den krankhaften Selbstzweifeln gesucht.

Sie setzen bei Gehaltsverhandlungen bewusst niedrig an, sagen bei attraktiven Karriereangeboten ab oder lehnen Weiterbildungen, die sie beruflich weiterbringen könnten, ab: Menschen, die unter dem sogenannten Hochstaplerphänomen leiden. Ihre Leistungen werden von anderen sehr anerkannt, sie selbst nehmen sich aber innerlich als Versager wahr. Mit ihren starken und anhaltenden Zweifeln am eigenen Können stehen sie sich auf der Erfolgsleiter selbst im Weg.

„Die Betroffenen leben ständig mit der Angst, als nicht fähig entlarvt zu werden“, beschreibt Mirjam Zanchetta, Universitätsassistentin der Abteilung Wirtschafts- und Organisationspsychologie der Uni Salzburg. Gemeinsam mit der Salzburger Psychologieprofessorin Eva Traut-Mattausch hat sie die Folgen des Hochstaplerphänomens auf die Karriereentwicklung untersucht und Strategien aus dem Teufelskreis entwickelt. Schließlich hat das Phänomen nicht nur für die Betroffenen negative persönliche und wirtschaftliche Auswirkungen, sondern auch für die Unternehmen. Die selbstzweifelnden „High Potentials“ wählen aus Angst lieber eine Exitstrategie, als neue Herausforderungen anzunehmen.

Es trifft Männer und Frauen

Ursprünglich ging man davon aus, dass das Hochstaplerphänomen vor allem Frauen trifft. Doch das ist falsch. „In unseren Untersuchungen haben wir keine Geschlechtsunterschiede gefunden“, sagt Zanchetta. Im Lauf ihres Berufslebens leiden bis zu 70 Prozent der Menschen zumindest phasenweise unter dem Hochstaplerphänomen. Es unterscheidet sich von normalen Selbstzweifeln, die nach einiger Zeit – beispielsweise, weil eine Herausforderung positiv bewältigt wurde – wieder aufhören.

Beim Hochstaplerphänomen verstärkt die gemeisterte Aufgabe das persönlich erlebte Gefühl des Versagens sogar. „Die Folgen können Burn-out, Stress oder Depressionen sein“, weiß die Arbeitspsychologin. Eine der Ursachen des Phänomens kann familiäre Prägung durch eine starke Leistungsorientierung des Elternhauses sein. „Viele Eltern sagen ihren Kindern, dass sie eine Herausforderung schon schaffen. In der Praxis erleben die Kinder aber dann auch Versagen“, erläutert Zanchetta, „sie wollen das Bild des erfolgreichen Kindes nach außen aufrechterhalten, im Inneren nagen aber die Selbstzweifel.“ Das Hochstaplerphänomen ist vor allem in der westlichen Welt verbreitet, wo der individuelle Erfolg mehr zählt.

Was lässt sich dagegen tun? In einer Studie hat Zanchetta mit ihrer Kollegin Anna Muck ein Coaching- und Trainingsprogramm an rund 100 betroffenen Nachwuchsführungskräften getestet. Ein Drittel erhielt ein Einzelcoaching, in dem auf die Ängste eingegangen und auf Reflexion gesetzt wurde. Ein Drittel nahm an einem Gruppentraining teil, bei dem vor allem Wissensvermittlung über das Hochstaplerphänomen im Vordergrund stand. Ein weiteres Drittel diente als Kontrollgruppe.

Sowohl Coaching als auch Gruppentraining linderten bei den Betroffenen die Selbstzweifel. Während das Training nur kurzfristigen Erfolg brachte, führte das Coaching zu anhaltender Besserung. Die Teilnehmer lernten, ihre eigenen Erfolge zu sehen und zu benennen, und bekamen dabei auch ein Gefühl für ihre Selbstwirksamkeit. Der erste Schritt, um sich nicht mehr selbst im Weg zu stehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.12.2017)

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