Slowenien setzt am Samstag neuen Grenzverlauf mit Kroatien um

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Ljubljana übernimmt die Zuständigkeit über 80 Prozent der Piran-Bucht. Doch Kroatien will von dem im Juni gefällten Schiedsspruch, der die Grenzen zwischen den Ländern festlegt, nichts wissen.

Einen Tag vor dem Jahreswechsel will Slowenien reinen Tisch in dem seit einem Vierteljahrhundert ungelösten Grenzstreit mit Slowenien machen: Am Samstag setzt Ljubljana den internationalen Schiedsspruch um, mit dem Ende Juni der Verlauf der Land- und Seegrenze zwischen den beiden früheren jugoslawischen Teilrepubliken bestimmt worden war. Das Problem: Zagreb will von dem Spruch nichts wissen.

Ein unter EU-Schirmherrschaft eingesetztes fünfköpfiges Tribunal hatte am 29. Juni nach mehrjährigen Beratungen seinen Schiedsspruch verkündet und den beiden Staaten eine Frist von sechs Monaten für dessen Umsetzung gesetzt. Der slowenische Ministerpräsident Miro Cerar bekräftigte am Mittwoch, dass Ljubljana ab Samstag das neue Grenzregime exekutieren werde.

Während Kroatien das Schiedsurteil weiterhin nicht anerkennt, wird Slowenien die Kontrolle über 80 Prozent der Bucht von Piran in der nördlichen Adria übernehmen. Der Schiedsspruch räumte dem Land nicht nur den Großteil der umstrittenen Bucht ein, sondern auch einen Korridor zu internationalen Gewässern.

Geldstrafen für Boote aus Kroatien

"Slowenien wird kein Grenzzwischenfälle auslösen", versicherte Cerar. Dasselbe erwarte er auch von Kroatien. "Wenn die Grenzlinie respektiert wird, wird es keine Zwischenfälle von slowenischer Seite geben", betonte er am Mittwoch. Allerdings beansprucht Zagreb die Hälfte der Piran-Bucht für sich, womit ab Samstag rund ein Drittel des Meeresgebiets umstritten sein dürften.

Slowenien hatte die Piran-Bucht bisher zur Gänze beansprucht, sich aber bei der Durchsetzung seiner Ansprüche zurückgehalten, um keine Zwischenfälle zu provozieren. Ab Samstag will es das gesamte vom Schiedsgericht zugesprochene Gebiet kontrollieren. Fischer- und Polizeiboote aus Kroatien sollen Geldstrafen erhalten, wenn sie die neue Grenzlinie überqueren. Für den gewerblichen Fischfang in slowenischen Gewässern will Ljubljana Lizenzen vorschreiben.

Presse Grafik

Die kroatischen Fischer wollen die neue Grenzziehung nicht anerkennen. Sie kündigten laut Medienberichten an, in der Bucht weiterhin so zu fischen, wie sie das seit Jahrzehnten gemacht hätten. Gestärkt fühlen sie sich dabei durch die kroatische Regierung, die den Schiedsspruch ablehnt. So sagte der kroatische Regierungschef Andrej Plenkovic neulich in einem Interview, dass sich Kroatien verantwortungsbewusst verhalten werde, "jedoch das verteidigen wird, was kroatisch ist".

Slowenien bereitet Klage vor

Für Cerar ist "ganz klar, was Kroatien und was Slowenien gehört". Er appellierte neuerlich an das Nachbarland, den Schiedsspruch zu akzeptieren. Zwei demokratische Nachbarn, die EU- und NATO-Mitglieder seien, müssten völkerrechtliche Verpflichtungen respektieren. "Wenn Premier Plenkovic (mit seiner Aussage, Anm.) irgendwas anderes im Sinn hatte, würde das gegen Zivilisationsstandards und gutnachbarliche Beziehungen gehen. Ich glaube nicht, dass das ein Weg wäre, der für Europa akzeptabel wäre", so der slowenische Premier. "Beide Seiten müssen die Grenze so akzeptieren, wie sie durch das internationale Schiedsgericht festgelegt wurde."

Die Seegrenze ist zwar der größte Zankapfel, doch schwerer umzusetzen ist die Festlegung der Landgrenze. Hier ist Ljubljana auf die Kooperation Zagrebs angewiesen. Die slowenische Seite hofft, sich mit dem Nachbarland auf die Gründung einer gemeinsamen Kommission einigen zu können, die den Grenzverlauf im Detail festlegt. Bis dahin bleibt an der 670 Kilometer langen Landgrenze offenbar Status quo.

"Die Umsetzung des Schiedsspruchs ist eine internationale Verpflichtung beider Länder", betonte Cerar auch mit Blick auf die Haltung der EU-Kommission. Vom stellvertretenden EU-Kommissionspräsidenten Frans Timmermans, der zur Vermittlung im Grenzstreit eingesetzt wurde, erwartet Cerar, dass er zu Jahresanfang einen Plan vorlegt, wie der Schiedsspruch in die Praxis umgesetzt werden könne.

Slowenien bereitet unterdessen eine Klage gegen Kroatien vor, wenn sich dieses weiterhin gegen die Umsetzung des Schiedsspruchs sträuben sollte. Außenminister Karl Erjavec rechnet damit, dass im Frühjahr eine Klage vor dem Gericht der Europäischen Union eingereicht wird, berichtete die Nachrichtenagentur STA.

(APA)

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