Iran-Proteste: Khamenei macht "Feinde" Teherans verantwortlich

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Zum ersten Mal äußert sich das geistliche Oberhaupt des Iran zu den landesweiten Protesten, bei denen bisher mindestens 21 Menschen ums Leben kamen.

Das geistliche Oberhaupt des Iran, Ayatollah Ali Khamenei, hat die "Feinde" des Landes beschuldigt, hinter den tödlichen Protesten gegen das Regime zu stehen. "Die Feinde haben sich vereint und nutzen all ihre Mittel, ihr Geld, ihre Waffen, Politik und Sicherheitsdienste, um dem islamischen Regime Probleme zu bereiten", hieß es am Dienstag in einer im Staatsfernsehen veröffentlichten Erklärung Khameneis mit Blick auf "die Ereignisse der vergangenen Tage".

Khamenei äußerte sich erstmals zu den Protesten, die am Donnerstag in der zweitgrößten iranischen Stadt, Mashhad, begonnen und sich dann auf das ganze Land ausgebreitet hatten. Zuvor hatte der iranische Sicherheitsrat (SNSC) die Proteste am Dienstag als einen vom Ausland gesteuerten "Stellvertreterkrieg" bezeichnet. SNSC-Sekretär Ali Shamkhani beschuldigte US-Präsident Donald Trump und Irans Erzfeind Saudi-Arabien, hinter den Unruhen zu stecken.

Präsident Hassan Rohani aber hatte bei einer Krisensitzung am Montag gesagt, es wäre ein Fehler, die Proteste nur als ausländische Verschwörung einzustufen. "Auch sind die Probleme der Menschen nicht nur wirtschaftlicher Natur, sondern sie fordern auch mehr Freiheiten." Er kritisierte damit indirekt die Hardliner im Klerus, die seine Reformen blockieren.

Hunderte Festnahmen

Bisher wurden bei den Demonstrationen 21 Menschen getötet, unter ihnen 16 Demonstranten. Alleine in der Nacht auf Dienstag kamen in der Region um Isfahan im Zentrum des Landes neun Menschen ums Leben, darunter ein Mitglied der Revolutionsgarden und ein Polizist, berichtete der staatliche Fernsehsender Irib.

In den vergangenen Tagen wurden Hunderte Menschen festgenommen. In Teheran seien seit Samstag 450 Demonstranten inhaftiert worden, sagte Ali-Asghar Naserbakht, ein Vertreter des Gouverneursbüros von Teheran, am Dienstag der Nachrichtenagentur Ilna. Eine genau Zahl für die Verhaftungen im ganzen Land liegt noch nicht vor, es sollen aber unbestätigten Berichten zufolge mehrere Hundert sein. Die Lage habe sich am Dienstag wieder weitgehend normalisiert, meinte Vizeminister Hossein Zolfaghari am Dienstag.

Die Proteste hatten sich an gestiegenen Preisen für Lebensmittel und der hohen Arbeitslosigkeit entzündet. Trotz der Aufhebung von Wirtschaftssanktionen im Zuge des Atomabkommens kommt der Aufschwung im Iran nur schleppend in Gang. Viele junge Iraner bekommen ihn gar nicht zu spüren, die Jugendarbeitslosigkeit beträgt fast 29 Prozent. Zugleich streben viele Iraner nach Wandel: Zunehmend wurde bei den Protesten scharfe Kritik an der Führung in Teheran laut. Dazu zählten auch Rücktrittsforderungen an Khamenei.

Türkei warnt vor Intervention

Die Reaktionen aus dem Ausland waren gemischt. Die Türkei warnte am Dienstag vor einer Einmischung durch ausländische Kräfte. "Provokative Rhetorik und externe Interventionen" müssten vermieden werden, sagte das Außenministerium in Ankara. Die Türkei lege großen Wert auf die Beibehaltung des gesellschaftlichen Friedens und der Stabilität im "brüderlichen Iran". Regierungsnahe türkische Medien beschuldigten den Westen und speziell die USA, hinter den Protesten zu stehen.

Ähnlich äußerte sich Syrien. Damaskus kritisierte die Proteste als Verschwörung der USA und Israels. Die Haltung der beiden Länder zur Lage im Iran bestätige, dass sie bei der Destabilisierung der Region eine "zerstörerische Rolle" spielten, meldete die staatliche Nachrichtenagentur SANA unter Berufung auf das Außenministeriums.

Die USA und Israel sprachen sich für einen Führungswechsel in Teheran aus. Trump twitterte, die Menschen im Iran würden nicht länger hinnehmen, "wie ihr Geld und ihr Wohlstand zugunsten von Terrorismus gestohlen und vergeudet wird". Am Neujahrstag legte er nach und schrieb, das "große iranische Volk" sei über Jahre unterdrückt worden. Seinen Tweet beendete er in Großbuchstaben mit den Worten: "ZEIT FÜR EINEN WECHSEL!"

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu drückte ebenfalls die Hoffnung auf einen Führungswechsel in Teheran aus. "Das Regime hat Angst vor seinem eigenen Volk, deswegen werfen sie Studenten ins Gefängnis, deshalb verbieten sie soziale Medien", sagte er. Am Montagabend rief die Europäische Union die iranische Führung angesichts der Unruhen im Iran zur Wahrung des Demonstrationsrechtes auf.

(APA/Reuters)

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