Rote Front gegen "überstürztes Ende der Aktion 20.000"

Symbolbild: Arbeitsloser beim AMS
Symbolbild: Arbeitsloser beim AMS(c) Clemens Fabry (Presse)
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Burgenlands Soziallandesrat Darabos will einen Schulterschluss aller Bundesländer gegen das Aus der Aktion 20.000 erreichen. Niederösterreichs SPÖ kritisiert ÖVP-Landeshauptfrau Mikl-Leitner, die Kärntner orten "volkswirtschaftlichen Unfug".

Das von der türkis-blauen Bundesregierung angekündigte vorzeitige Aus für die Aktion 20.000 schlägt hohe Wellen. Massive Kritik kommt erwartungsgemäß aus der SPÖ, auch Vertreter der Sozialwirtschaft zeigten sich am Mittwoch "sehr unglücklich über das überstürzte Ende der Aktion 20.000". Die niederösterreichische SPÖ wart der Regierung vor, "älteren Arbeitslosen die Chance" zu nehmen, "am Arbeitsmarkt wieder Fuß zu fassen", sagte Landesparteivorsitzender Franz Schnabl. Das Thema stehe bei der (morgigen) roten Präsidiumsklausur in Maria Taferl (Bezirk Melk) ganz oben auf der Tagesordnung, kündigte er an.

Kritik übte der Spitzenkandidat für die Landtagswahl am 28. Jänner auch an Johanna Mikl-Leitner (ÖVP): "Die Landeshauptfrau kann sich parteiintern offenbar kein Gehör mehr verschaffen und sich nicht durchsetzen", dadurch setze sie für das Bundesland "existenzielle Projekte und die Perspektiven vieler Niederösterreicher aufs Spiel".

4000 Langzeitarbeitslose, die älter als 50 Jahre sind, hätten allein in Niederösterreich im Rahmen der Aktion Beschäftigung finden sollen. Seit Beginn der Pilotphase im Juli des Vorjahres seien in der Modellregion des Bundeslandes, dem Bezirk Baden, 101 Dienstverhältnisse geschaffen worden. Nun sei die Aktion 20.000 in einer "Nacht- und Nebelaktion" per Umlaufbeschluss knapp vor dem geplanten offiziellen, flächendeckenden Start Anfang 2018 ausgesetzt worden, kritisierte Schnabl. Es sei ein Gebot der Stunde, gerade hier Beschäftigungsanreize zu setzen.

Darabos hofft auf Schulterschluss der Bundesländer

In Kärnten hätten nach dem Roll-out der Aktion 20.000 rund 1000 Personen - ein Drittel der im Jahresschnitt 3000 älteren Arbeitslosen - einen Job bekommen sollen. Landeshauptmann Peter Kaiser und Arbeitsmarktreferentin Gabi Schaunig (beide SPÖ) erklärten indes in einer Aussendung, es sei ein "Schlag ins Gesicht dieser 1000 Menschen in Kärnten", dass Türkis-Blau die Aktion 20.000 "am letzten Tag des alten Jahres zu Grabe getragen hat". Die Aktion zu beenden sei "volkswirtschaftlicher Unfug". In der Pilotphase der Aktion 20.000 seien im Raum Villach von August bis Dezember 141 Personen in Beschäftigung gebracht worden, für 24 weitere lägen vertragliche Zusagen vor. Darüber hinaus gebe es in der Pilotregion aktuell 152 offene Plätze, die nach dem Roll-out der Aktion sofort überregional hätten besetzt werden können.

Der burgenländische Soziallandesrat Norbert Darabos (SPÖ) will einen Schulterschluss aller Bundesländer gegen die Aussetzung der Aktion 20.000 erreichen. Er werde noch heute einen offenen Brief, mit der Bitte für den Fortbestand der Initiative einzutreten, an seine Länderkollegen schicken, teilte Darabos am Mittwoch per Aussendung mit.

Das Ziel sei eine breite politische Mehrheit und eine gemeinsame Resolution in Richtung der ÖVP-FPÖ-Bundesregierung, dass die Aktion 20.000 wie geplant über einen längeren Zeitraum getestet werden soll. Er werde das Thema auch bei der nächsten Sozialreferenten-Konferenz der Länder zur Sprache bringen, meinte Darabos. Die neue Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) forderte er auf, keine "Placebo-Politik" zu betreiben und sich hinter die Initiative für Langzeitarbeitslose zu stellen.

SWÖ: "Hoffung allein werden die Probleme nicht lösen"

Die Sozialwirtschaft Österreich (SWÖ), der Verband der - meist gemeinnützigen - österreichischen Sozial- und Gesundheitsbetriebe appelliert am Mittwoch an die Regierung, so rasch wie möglich mit den beteiligten Stakeholdern nach Wegen zu suchen, wie die Intentionen der Aktion 20.000 nachhaltig verwirklicht werden können. "Auch wenn die Aktion 20.000 durchaus auch ihre Schwachpunkte hatte, ist ihr Ansatz Langzeitarbeitslose mittels konkreter Beschäftigung zu integrieren vollkommen richtig", so SWÖ-Geschäftsführer Walter Marschitz. "Die Hoffung auf bessere Konjunktur und Qualifizierungsmaßnahmen allein werden die Probleme in diesem Bereich nicht lösen können."

Der Präsident des österreichischen Gemeindebundes, Alfred Riedl, erklärte im "ORF-Morgenjournal", er sei als Steuerzahler der Meinung, dass es sinnvoll sei, immer wieder nachzudenken, ob Förderaktionen in diesem Umfang oder in diesem Ausmaß Sinn machten.

IHS-Chef Martin Kocher twitterte in puncto Aktion 20.000 und Beschäftigungsbonus, es gebe gute Argumente für Beibehalten, aber auch für Sistieren. Wichtiger sei jedoch: Wieviel werde in Lohnnebenkostensenkung und Arbeitnehmerqualifikation investiert?

Auf einen Blick

Die neue ÖVP-FPÖ-Regierung hat am Neujahrstag zwei Maßnahmen für den Arbeitsmarkt gestoppt. Die "Aktion 20.000" für ältere Arbeitslose wurde mit 31. Dezember 2017 ausgesetzt, der Beschäftigungsbonus läuft vorzeitig mit 31. Jänner 2018 aus. Der weitere Ausbau dieser Maßnahmen werde als "nicht zielführend" angesehen.

Die beiden Förderprogramme waren 2017 von der rot-schwarzen Vorgängerregierung beschlossen worden, um den Arbeitsmarkt anzukurbeln. Beim Beschäftigungsbonus gab es bis zum Jahreswechsel laut Angaben des Wirtschaftsministeriums rund 12.600 Anträge für 64.000 Arbeitnehmer. Die Beschäftigungsaktion, die 20.000 über-50-Jährige Arbeitslose in neue Jobs bringen sollte, galt als Prestigeprojekt der SPÖ. Laut älteren Angaben des Sozialministeriums waren bis Ende November rund 1500 Personen erfolgreich vermittelt worden.

Die angekündigte Aussetzung der Aktion 20.000 sorgte erwartungsgemäß für harsche Kritik seitens der SPÖ, der Gewerkschaften sowie der Arbeiterkammer, auch die Liste Pilz zeigte sich empört. Die Neos hingegen begrüßten den Stopp. Wirtschaftskammer und Industrie sehen nun Spielraum für eine Lohnnebenkostensenkung.

(APA/Red.)

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