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Familienbeihilfe-Kürzung: Experten bezweifeln Zulässigkeit

Die Pläne der Regierung könnten gegen EU-Recht verstoßen, warnen Europarechtler. Sozialrechtler Mazal sieht hingegen kein Problem. Die EU-Kommission will die Regelung prüfen.

Ist die von der Regierung geplante Kürzung der Familienbeihilfe für im Ausland lebende Kinder europarechtlich zulässig? Es gebe "erhebliche Zweifel, dass die Regelung halten könnte", erklärte dazu Günter Herzig, Europarechtsprofessor an der Uni Salzburg, am Donnerstag im Ö1-Mittagsjornal. Auch Franz Leidenmüller, Vorstand am Europarechtsinstitut in Linz und SPÖ-Gemeinderat, äußerte sich kritisch: Die Indexierung verstoße gegen eine EU-Verordnung, die klar vorsehe, dass der Anspruch auf Familienbeihilfe so bestehe, als ob die Angehörigen im Inland lebten.

Anders die rechtliche Einschätzung des Sozialrechtlers Wolfgang Mazal, der in der Causa auch bereits ein Gutachten für die letzte Bundesregierung erstellt hatte. "Die Familienbeihilfe ist keine Leistung ähnlich der Pension, bei der ein Einzahler später eine garantierte Summe herausbekommt, sondern vielmehr eine zweckgebundene Leistung um den konkreten Aufwand für ein Kind teilweise zu refundieren", argumentiert Mazal, der für die ÖVP auch an den Regierungsverhandlungen teilnahm, in einer Stellungnahme.

Mazal vergleicht die Familienbeihilfe mit Unterhaltsleistungen. Die Familienbeihilfe sei demnach als Unterhaltsunterstützung zu sehen. Sie versetze den Unterhaltspflichtigen in die Lage, "einen Teil jener Sachgüter und Dienstleistungen, die für die Erfüllung seiner Unterhaltspflicht maßgeblich sind, nicht aus eigenen Mitteln, sondern mit Unterstützung und aus Mitteln der Allgemeinheit zu erwerben. Aus dieser Funktion ergibt sich, dass der Unterhalt bei im Ausland lebenden Kindern nach zivilrechtlicher Judikatur nicht nur nach den durchschnittlichen Lebensverhältnissen des Unterhaltspflichtigen, sondern auch im Verhältnis zur Kaufkraft im Wohnland des Kindes zu bemessen ist. Wenn der Unterhalt indexiert wird, ist es daher folgerichtig auch die Unterhaltsunterstützung zu indexieren", so Mazal.

EU-Kommission will prüfen

Die EU-Kommission ziegt sich noch zurückhaltend: "Wir nehmen diese Ankündigung zur Kenntnis und werden die Gesetze auf ihre EU-Rechts-Konformität prüfen, wenn sie einmal angenommen sind", sagte eine EU-Sprecherin in Brüssel am Donnerstag.

EU-Sozialkommissarin Marianne Thyssen hatte bisher argumentiert, dass die Indexierung "keine wesentliche Kosteneinsparung ergeben", aber "zu einem wesentlich höheren Verwaltungsaufwand" führen würde. Generell verlangte die EU-Kommission bisher gleiche Leistungen für gleiche Beiträge, auch bei Beihilfen. Thyssen hatte Österreich mehrmals vor einem Alleingang in Sachen Familienbeihilfe gewarnt. Nach geltender Gesetzgebung sei dies nicht zulässig, hatte sie erklärt.

Neos und Liste Pilz kritisieren Pläne

Kritik an den Regierungsplänen kam am Donnerstag von den Neos und der Liste Pilz. "Das System der Familienbeihilfe wird nicht reformiert, indem europäische Grundfreiheiten außer Kraft gesetzt und ein massives Pflegeproblem riskiert werden", erklärte Neos-Familiensprecher Michael Bernhard. Es brauche Reformen, aber: "Statt faktenbasierte Sachpolitik zu betreiben, werden von der schwarz-blauen Regierung rechtswidrige Maßnahmen gesetzt, die sukzessive die europäische Idee zu Grabe tragen und Unionsbürger zu EU-Ausländern machen", so Bernhard, der ein "massives Pflegeproblem" fürchtet.

Die Indexierung der Familienbeihilfe sei "unsozial" und widerspreche dem europäischen Gedanken, stellte auch Sebastian Bohrn Mena von der Liste Pilz fest. Sollte es dabei tatsächlich um eine budgetäre Einsparungsnotwendigkeit gehen, könnte man sich andere Punkte genauer ansehen.

Die ebenfalls angekündigte Entlastung der Arbeitnehmer wird zwar von den Neos begrüßt, die Arbeitslosenversicherungsbeiträge sollten aber für alle gesenkt werden. Von der Beitragssenkung würden vor allem Teilzeitkräfte profitieren. "Es ist also ein zusätzlicher Anreiz, in Teilzeit statt in Vollzeit zu arbeiten", warnte Neos-Sozialsprecher Gerald Loacker.

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(Red./APA)