Land der HämmerInnen

Die Verhunzung der Hymne liegt ihr sozusagen immer schon inmitten.

Hymnendiskurse, so unschuldig sie sich auch geben, sind immer Haupt- und Staatsaktionen. Die Verunzierung des offiziösen Heimatliedes ist immer skandalös. In Tirol kommt eine Person, die sich erfrecht, beim Hofer-Lied einen falschen Ton anzuschlagen, vor ein Schützengericht, wird füsiliert wie einst Anderl zu Mantua in Banden. (Das ist eines der dunkleren Kapitel in der großen Geschichte des Tiroler Freiheitskampfes und wird von amtlicher Seite auch standhaft geleugnet.)

So verwundert es nicht, dass auch in Wien ein Kulturkampf darüber ausgebrochen ist, ob Christina Stürmer unser aller „Land der Berge“ mit ministeriellem Segen textlich behübschen darf. Man hätte gewarnt sein können: „Ich kriege nie genug“, hat die Sängerin einst bekannt. Jetzt genügen ihr die Söhne nicht mehr, auch die Töchter müssen rein in das feierliche Gedicht der Paula von Preradović.

Deren Text hatte sich 1946 gegen harte Konkurrenz in einem Preisausschreiben durchgesetzt. Das Preisgeld betrug beachtliche 10.000Schilling. Noch an dem Tag, an dem die Dichterin vom Sieg über damals noch modische Dichterinnen und Dichter wie Paula Grogger oder Alexander Lernet-Holenia erfuhr, verfassten ihre kecken Söhne Otto und Fritz Molden eine Parodie, die im Vergleich ziemlich flott klingt: „Land der Erbsen, Land der Bohnen, Land der vier Besatzungszonen/Wir verkaufen dich im Schleich, viel geliebtes Österreich!“

Die Verhunzung der Hymne liegt ihr sozusagen immer schon inmitten. 1979 nahm sich die ausgelassene Wiener Combo „Drahdiwaberl“ ihrer an; schon damals sehr genderbewusst: „Heimat bist du großer Söhne, Heimat bist du großer Töchter, Zusatzvers der Frauenrechtler“. Das alles klingt recht harmlos, wenn man vergleicht, wie roh schon 1977 die britischen „Sex Pistols“ den heiligen Titel „God Save the Queen“ benutzt haben (sie wurden von Royalisten verprügelt), oder wie anarchisch der amerikanische Gitarrenpyromane Jimi Hendrix das „Star-Spangled Banner“ 1969 in Woodstock verfremdete.

Wie aber steht die „Gegengift“-Redaktion zur Hymnendebatte? Ambivalent. Es könnte viel schlimmer sein: Die Erste Republik ging auch deshalb so rasch unter, weil „Deutschösterreich, du herrliches Land“ weder textlich (Kanzler Karl Renner) noch musikalisch (Wilhelm Kienzl) besonders stabil war. Es könnte viel besser sein: Die Haydn-Hymne für einen falschen Mozart aufzugeben war fahrlässig. Das ihm unterschobene „Freimaurer-Bundeslied“ klingt so schleppend, wie die meisten Großen Koalitionen seit 1945 regiert haben. Also passt sie auch irgendwie zu uns.

Und die Töchter? Sollen sie in das Loblied von Preradović aufgenommen werden? Sollen die „brüderlichen Chöre“ ein gemischter Chor werden? Warum nicht? Aber einem neutralen Land würde auch eine neutrale Formulierung gut stehen. Wie wäre es mit „Land der HämmerInnen, zukunftsreich, einer starken Leber gleich, sozial verpartnertes Öhöhösterreich“?

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.01.2010)

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