Nordkorea nahm Gespräche über die Teilnahme beim Event im Nachbarland auf. Der Start der Eiskunstläufer Ryom Tae-ok und Kim Ju-sik hätte mehr als nur Symbolcharakter.
Pyeongchang/Pjöngjang/Wien. Olympia als friedenstiftendes Schauspiel, ohne Kommerzgedanken? Was an sich nach der klassischen Verkaufsstrategie des milliardenschweren Franchiseprodukts klingt, könnte bei den Winterspielen in Südkorea Wirklichkeit werden. Denn Nordkorea signalisiert nicht mehr nur das Interesse an der Teilnahme bei den Spielen in Südkorea, sondern wollte am Dienstag in Panmunjom und Lausanne Gespräche darüber führen.
Am Sonntag übermittelte das Regime dem Süden jedenfalls eine Liste mit Namen seiner Unterhändler. Die Delegation wird vom „Beauftragten für innerkoreanische Angelegenheiten“, Ri Son-gwon, angeführt. Ihm zur Seite stehen vier Regierungsvertreter, darunter zwei mit dem Aufgabenbereich Sport. Südkoreas fünfköpfige Delegation leitete Vereinigungsminister Cho Myung-gyon.
Olympias politische Wurzel
Dieses bilaterale Treffen könnte die finalen Hürden aus dem Weg räumen. Gastgeber Südkorea und Veranstalter IOC sicherten Startplätze zu. Sportlich qualifiziert wären allerdings nur die Eiskunstläufer Ryom Tae-ok und Kim Ju-sik. „Offiziell“ vergibt das IOC aber keine Wildcards oder Sonderplätze.
Politische Wurzeln oder Ereignisse hat Olympia jedenfalls. Erinnerungen an 1968 in Mexico City (Black Power Salute), die Boykottspiele in Moskau 1980 und Los Angeles 1984, die Rolle der Aborigines (Sydney 2000) oder die Tibetfrage 2008 in Peking werden nun aufgefrischt – Botschaften transportierten die Spielemacher oder deren Protagonisten oft. Zwar hinter vorgehaltener Hand, weil sich die Olympier, ein in Lausanne ansässiger Non-Profit-Verein mit Milliardeneinnahmen aus TV- und Sponsorverträgen, ja als „neutral“ verstehen. Aber Sport generell oder die fünf Ringe im Speziellen können diese diplomatische Funktion getrost erfüllen.
Ein wunderbares Beispiel dieser speziellen Form von „Sporthilfe“ liefert die „Pingpongdiplomatie“. Es ist nicht nur eine Episode in diversen Hollywood-Filmen, sondern war ein genialer Schachzug des chinesischen Staatschefs Mao Zedong, der 1971 amerikanische Tischtennisspieler einlud, um die seit 1949 anhaltende Eiszeit zwischen den USA und China zu beenden.
Treffpunkt: Panmunjom
Ein Zelluloidball räumte damals globale Ängste und Bedenken aus. Gleiches könnte nun in Pyeongchang – neben 102 Wettbewerben in sieben Sportarten – gelingen. Sind Athleten aus Nordkorea am Start, sind Scheingefechte oder Raketentests zumindest vom 9. bis 25. Februar ausgeschlossen.
Panmunjom ist für Korea ein Schicksalsort. Hier wurde am 27. Juli1953 der Waffenstillstand geschlossen, der Korea-Krieg (1950–1953, 3,2Millionen Menschen kamen ums Leben) beendet. Stehen in der entmilitarisierten Zone Gespräche an, werden sie an diesem Grenzort, 60Kilometer nördlich von Seoul, geführt. Dort gibt es 33 Telefonleitungen, fünf sind ausnahmslos für dringende, tägliche Gespräche zwischen Nord und Süd reserviert. Vergangenen Mittwoch wurden sie zum ersten Mal seit zwei Jahren wieder benutzt.
Über die Nachrichtenagentur Reuters wurden am Sonntag Aussagen von Pjöngjangs IOC-Vertreter Chang Ung publik. Er wurde auf dem Flughafen von Peking zur aktuellen Lage befragt. Dass er gerade auf dem Weg nach Lausanne war, dem Hauptsitz des IOC, sagt alles. Diese Entwicklung löst auch in Österreich große Freude aus. ÖOC-Generalsekretär Peter Mennel sagt: „Seit der UN-Resolution Mitte November in New York war klar, dass es einen olympischen Frieden geben wird. Jetzt zeichnet sich die Teilnahme nordkoreanischer Sportler in Südkorea ab. Das ist ein olympisches Ausrufezeichen, das die Völkerverbindung von Sport einmal mehr unterstreicht!“
Mit dem Sound der Beatles
1964 nahm Nordkorea erstmals an Winterspielen teil. In Sydney (2000) und Athen (2004) marschierten die Nachbarn unter einer Fahne ein, traten aber als separate Teams auf. Dürfte das Eiskunstlaufpaar Ryom Tae-ok und Kim Ju-sik starten, läuft prompt ein Großaufgebot der Symbolik mit. Sie setzten bei der musikalischen Begleitung auf die Beatles, drehen mit dem Lied „A Day in the Life“ ihre Runden. In der zweiten Strophe zeigt sich John Lennon als teilnahmsloser Betrachter, in Anspielung auf Richard Lesters Film „Wie ich den Krieg gewann“.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.01.2018)