Darf Österreich eine Bankensteuer einführen?

Grenzen der Steuerfindung: Die Existenz des Bankenpakets allein dürfte als Rechtfertigung nicht ausreichen.

WIEN. Auch in Österreich ist nunmehr eine heftige Diskussion um die Einführung einer Bankensteuer entbrannt. So weit bisher bekannt, soll diese neue Steuer auf die Bilanzsumme von Banken erhoben werden. Dabei soll jedoch ein Abzug des Eigenkapitals von dieser Bilanzsumme vorgesehen sein, sodass die Bankensteuer im Kern eine Abgabe auf die Verbindlichkeiten der Bank darstellt. Im Ergebnis soll somit offenbar das Risikopotenzial des Bankgeschäfts zum Gegenstand der Steuer gemacht werden.

Neben der Grundfrage nach der wirtschaftspolitischen Sinnhaftigkeit einer solchen Steuer (die hier nicht erörtert werden soll) wurde in der steuerpolitischen Debatte auch frühzeitig die Frage nach der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Einführung einer Bankensteuer in Österreich (ohne EU-rechtlichen Auftrag) aufgeworfen. Hierzu hat sich ein breites Spektrum an Meinungen gezeigt (von „geht nicht“ bis zu „kein Problem“). Im Folgenden soll nun der verfassungsrechtliche Rahmen der vorgeschlagenen neuen Steuer näher beleuchtet werden.

Gleichheitsgrundsatz als Maßstab

Klar ist zunächst, dass die Bankensteuer einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung bedarf. Der Gesetzgeber ist nämlich nach der österreichischen Verfassungslage bei der „Erfindung“ neuer Steuern nicht völlig frei. Hier verpflichtet der Gleichheitsgrundsatz den Gesetzgeber dazu, „Gleiches gleich und Ungleiches ungleich“ zu behandeln. Bei der Anwendung des Gleichheitsgrundsatzes wird vom VfGH normalerweise eine vergleichende Prüfung vorgenommen, die besteuerte und nicht besteuerte Sachverhalte gegenüberstellt.

Bei einer solchen vergleichenden Prüfung hätte die Bankensteuer wohl einen schweren Stand. Es scheint nämlich nicht leicht zu rechtfertigen zu sein, warum ein Risiko gerade bei Banken besteuert werden soll, nicht aber bei anderen Trägern unternehmerischer Risken (insbesondere Versicherungen, aber auch anderen risikobehafteten Unternehmen). Allerdings könnte die Rechtsprechung bei der hier relevanten Frage nach der Zulässigkeit des Steuergegenstands als solchen bei der Prüfung des Gleichheitsgebotes anders vorgehen: Hier hat der VfGH nämlich in mehreren Fällen gerade nicht den Vergleich zu nicht besteuerten Fällen gesucht, sondern nur danach gefragt, ob die vom Gesetzgeber mit der jeweiligen Abgabe getroffene grundsätzliche Belastungsentscheidung (hier: dass Banken mit einer Abgabe belegt werden) für sich gerechtfertigt ist.

Eine solche Vorgangsweise verschafft der Steuerpolitik bedeutende Freiräume. Denn dadurch wird dem Gesetzgeber die Herausforderung erspart, über das gesamte Steuersystem hinweg für wirklich umfassende Gleichheit zu sorgen. Es reicht dann vielmehr aus, dass jede einzelne Steuer für sich betrachtet auf tragfähigen Belastungsgründen beruht.

Diese Rechtsprechung ist allerdings nicht ohne Kritik geblieben: Denn für den betroffenen Steuerpflichtigen verbleibt der schale Beigeschmack, dass es dann nur von der Rechtstechnik des Gesetzgebers abhängt, ob er sich verfassungsrechtlich angreifbar macht oder nicht. So wäre zum Beispiel eine allgemeine „Risikosteuer“, bei der bestimmte Risikoträger (wie etwa Versicherungen) durch Steuerbefreiungen dann wieder von der Steuerpflicht ausgenommen werden (sodass im Ergebnis nur Banken der Steuer unterliegen), wohl nur schwer als gleichheitskonform zu rechtfertigen. Dagegen wäre eine im Tatbestand von vornherein auf Banken beschränkte Steuer gegen einen Vergleich mit anderen, nicht belasteten Unternehmen immun.

1984 hielt Sonderabgabe noch

Vor diesem Hintergrund kommt der inneren Rechtfertigung der Bankensteuer umso größere Bedeutung zu. Diese wird daher jedenfalls sorgfältig zu prüfen sein, dies auch unter Berücksichtigung der vorhandenen Rechtsprechung. So hat der VfGH im Jahr 1984 in einem ähnlich gelagerten Fall (es ging um die später vom Gesetzgeber abgeschaffte Sonderabgabe für Kreditunternehmen) die Rechtfertigung einer Steuer auf die Bilanzsumme von Banken bejaht, und zwar aufgrund der „besonderen wirtschaftlichen Funktion“ der Banken, die eben eine besondere Besteuerung rechtfertigen würde.

Wesentlich waren für den VfGH damals das Bestehen einer rechtlichen Sonderstellung der Banken, und zwar die staatliche Marktzugangskontrolle (Konzessionspflicht), besondere Wettbewerbsprivilegien (durch damals vorhandene Ausnahmen vom Kartellrecht) sowie die vielfache indirekte Förderung der Banken (zum Beispiel durch staatliche Sparförderung oder die Abwicklung staatlicher Subventionen über das Bankensystem).

Ob diese vom VfGH vor bald 30 Jahren vorgebrachten Gründe heute unverändert tragfähig sind, scheint jedoch zumindest überprüfenswert. So sind die Ausnahmen vom Kartellrecht bereits seit Langem abgeschafft. Auch das Bestehen der vielfachen indirekten Förderung bedürfte sicherlich einer Neuüberprüfung. Es erscheint nämlich heute nicht ohne Weiteres überzeugend, Banken undifferenziert als „Liebkinder“ der österreichischen Rechtsordnung zu sehen. Sie unterliegen einem umfassenden Regulierungsrecht, strengen Mindesteigenkapitalanforderungen und insbesondere auch dem EU-Beihilfenrecht, das den Wettbewerb verzerrende Besserstellungen verhindert.

In der aktuellen Debatte wird versucht, die Bankensteuer mit einem spezifischen Fördergedanken zu rechtfertigen, nämlich mit dem vom Bund in der jüngsten Krise geschaffenen „Bankenpaket“. Die neue Steuer wird dabei gleichsam als Ausgleich für das Bereitstellen dieses Rettungspakets verstanden, da es nur gerecht sein soll, Banken dafür zur Kasse zu bitten, dass die Allgemeinheit die von ihnen eingegangenen Risken im Krisenfall abdeckt. Auch die internationale Diskussion um die Bankensteuer wird derzeit von dieser Rechtfertigung getragen.

Fragwürdiges Argument

Der Pferdefuß dieser Argumentation könnte für Österreich aber darin liegen, dass das Bankenpaket in Wahrheit nur von bestimmten Banken (noch dazu ohnedies gegen marktkonformes Entgelt) in Anspruch genommen wurde, die neue Steuer aber alle Banken treffen würde. Auch die Existenz eines im Notfall verfügbaren Schutzschirms muss hier für sich kein die Steuer rechtfertigender äquivalenter Vorteil sein, zumal für die Banken auf eventuelle Staatshilfemaßnahmen gar kein Rechtsanspruch besteht. Keine Bank kann sich darauf verlassen, im Notfall tatsächlich vom Staat gerettet zu werden. Diese derzeit in den Vordergrund gerückte Rechtfertigung der Bankensteuer könnte daher zweifelhaft sein.

Insgesamt zeigt sich, dass die Verfassung dem Gesetzgeber bei der Erschließung neuer Steuerquellen durchaus Grenzen setzt. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, bei der Erfindung neuer Steuern sorgfältig zu überlegen, ob die neu geschaffene Belastung tatsächlich sachlich gerechtfertigt ist. Eine solche Rechtfertigungspflicht erscheint auch rechtspolitisch sinnvoll. Denn neue Steuern werden die bei ihnen regelmäßig auftretenden Akzeptanzprobleme nur dann überwinden können, wenn für sie eine tragfähige Rechtfertigung besteht.

Univ.-Prof. Dr. Claus Staringer lehrt an der Wirtschaftsuniversität Wien und ist Partner bei
Freshfields Bruckhaus Deringer.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.01.2010)

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