Kneissl in der Slowakei: Von Gramatneusiedl hinaus in die Welt

Am Bahnhof Gramatneusiedl startete Außenministeirn Karin Kneissl ihre Reise nach Bratislava.
Am Bahnhof Gramatneusiedl startete Außenministeirn Karin Kneissl ihre Reise nach Bratislava.(c) APA/PHOTONEWS.AT/GEORGES SCHNEIDER
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Der Plan von Türkis-blau, die Kinderbeihilfe für Ausländer zu kürzen, erfreut die Slowakei wenig. In der Flüchtlingspolitik ist man eher einer Meinung mit dem Visegrád-Staat.

Es sind äußerst überraschte Blicke der Pendler, die die Fernsehteams am Bahnhof von Gramatneusiedl ernten. Am Dienstag, um 8:30 Uhr in der Früh, stehen schon mehrere Kameraleute vor dem Eingang zum Bahnhof des etwa 3000 Einwohner zählenden niederösterreichischen Ortes, filmen das Gebäude und die Straße davor. Dann, kurz vor 9 Uhr, schwenken alle Kameras auf sie: Karin Kneissl kommt, um zum ersten offiziellen Besuch als neue österreichische Außenministerin aufzubrechen – mit dem Regionalzug.

Kneissl wohnt in der Nähe, im niederösterreichischen Seibersdorf. Und so wurde der Bahnhof Gramatneusiedl als Ausgangspunkt der Reise gewählt, die in die slowakische Hauptstadt Bratislava (Pressburg) führt. Auf Bahnsteig Nummer 3 erzählt die Ministerin noch vor laufenden Kameras davon, dass einst eine Straßenbahn von Wien bis zur Oper in Bratislava führte. Dann fährt der Zug ein.

Visegrád nicht der Grund für Besuch

Im Regional-Express REX 7613 drängen sich etwa zwei Dutzend Journalisten rund um die parteifreie, von der FPÖ nominierte Ministerin Kneissl. Eine Reisende fotografiert mit ihrem Handy den Auflauf. Nachdem der Regionalzug Parndorf Ort passiert hat, wird es wieder etwas ruhiger im Waggon. Jetzt führt die Ministerin noch mehrere kurze Einzelinterviews. Dass Bratislava erstes Reiseziel ist, habe nichts damit zu tun, dass die Slowakei einer der Visegrád-Staaten ist, beteuert Kneissl wiederholt. Zur Visegrád-Gruppe gehören neben der Slowakei auch Polen, Ungarn und die Tschechische Republik. Der lose Bund dieser Länder ist innerhalb der EU vor allem für eine harte Haltung gegenüber Flüchtlingen bekannt. So wehren sich die Visegrád-Staaten – in unterschiedlicher Intensität – gegen eine Aufteilung von Asylwerbern innerhalb der Union. Die FPÖ hat in der Vergangenheit immer wieder eine stärkere Annäherung Österreichs an diese Ländergruppe gefordert.

„Die Slowakei ist für Österreich ein wichtiger Nachbarstaat, menschlich und handelspolitisch“, sagt Kneissl. „Die ersten Reisen von österreichischen Außenministern führten nach Prag, Zagreb, oder in die Schweiz. Die Slowakei war noch nie dran. Die Frage Visegrád-Staat hatte bei dieser Ortsauswahl keine Bedeutung.“ Die nächsten Reisen sollen die Ministerin am 16. Jänner nach Rom, am 18. Jänner in die bulgarische Hauptstadt Sofia und am 22. Jänner zum Außenministerrat nach Brüssel. Am 25. Jänner findet ein informelles Treffen mit dem türkischen Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu auf den Prinzeninseln in Istanbul statt.

Familienbeihilfe als möglicher Konflikt

Zwischen Wien und Bratislava gibt es kaum offene Fragen. Eine könnte nun aber durch die Pläne der neuen österreichischen Regierung in punkto Familienbeihilfe entstehen. Das Geld für Kinder, die nicht in Österreich leben, soll demnach jeweils an das örtliche Lohn- und Preisniveau angepasst werden. In Bratislava kann man dieser Idee nicht viel abgewinnen. Denn sie würde Kürzungen für Slowakinnen und Slowaken bringen, die in Österreich arbeiten, deren Kinder aber weiterhin in der Slowakei wohnen. Viele Slowakinnen sind in Österreich in der Alten- und Krankenpflege tätig. „Dieses Thema ist ein starkes Thema in der Slowakei“, beteuerte der Staatssekretär im slowakischen Außenamt, Ivan Korčok, bei einer Pressekonferenz mit Kneissl.

Die Arbeitnehmerfreizügigkeit sei ein Grundprinzip in der EU, sagte Korčok. „Wir erwarten, dass unsere Staatsbürger, die legal in Österreich arbeiten und Steuern zahlen, nicht diskriminiert werden.“ Man wolle aber Spannungen in der Frage vermeiden. Deshalb sei im Gespräch mit Österreichs Außenministerin vereinbart worden, dass sich die Arbeitsminister beider Länder treffen, um die Frage zu erörtern. Doch Korčok bekräftigte: „Es muss alles im Einklang mit dem europäischen Recht bleiben.“

Auch Kneissl kündigte an, dass die für Soziales und Arbeit zuständigen Minister Österreichs und der Slowakei noch über das Thema beraten werden. „Familienbeihilfe ist kein Teil der Entlohnung. Sie gilt der Versorgung in dem Land, in dem man wohnt.“ Österreichs Regierung wolle die Frage auf europaweiter Ebene lösen. „Wir versuchen, einen europäischen Index zu finden.“ Zugleich bedankte sich Kneissl bei all den Slowakinnen, die schon zeitig in der Früh nach Wien reisen, um dort etwa im Spitalsbereich zu arbeiten.

"Kurz hält Quoten nicht für den richtigen Weg"

Ein weiteres Thema der Unterredung zwischen Außenministerin Kneissl und Staatssekretär Korčok war Migration. In Bratislava ist man äußerst skeptisch gegenüber Ideen in der EU, Asylwerber nach einem fixen Schlüssel auf die Mitgliedstaaten aufzuteilen. Kneissl sprang in der Frage der slowakischen Regierung bei: „Bundeskanzler Sebastian Kurz hält Aufnahmequoten für Flüchtlinge in der EU nicht für den richtigen Weg“, sagte sie bei der Pressekonferenz. Auf die Frage, ob Österreich der Visegrád-Gruppe beitreten wolle, meinte sie: „Soweit ich die Visegrád-Staaten beobachte, gibt es bei ihnen kein Interesse, dass man ihren Kreis erweitert.“ Und auch aus österreichischer Sicht gebe es kein Interesse, der Gruppe beizutreten. Österreich wolle aber durchaus auch in kleineren Formaten innerhalb der EU Themen diskutieren.

Kneissl traf in Bratislava auch mit dem slowakischen Präsidenten Andrej Kiska und mit Außenminister Miroslav Lajčák zusammen. Lajčák ist derzeit Präsident der UN-Generalversammlung. Im Gespräch mit ihm ging es um Themen der Vereinten Nationen, unter anderem um den UN-Standort Wien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.01.2018)

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