Noch selten gab es so viel Kritik an einer Steuerentlastung wie beim Familienbonus. Demografische Fakten sprechen aber für diese Mittelschichtförderung.
Nun ist sie also beschlossen, die wichtigste steuerpolitische Maßnahme der neuen Regierung. Wie bereits im Wahlkampf angekündigt, erhalten lohnsteuerzahlende Eltern künftig pro Kind und Jahr 1500 Euro ihrer Steuer zurück. Eine freudige Nachricht, möchte man meinen. Aber noch selten war eine steuerliche Entlastung mit so viel Kritik verbunden wie der Familienbonus. Wer keine Steuern zahle, profitiere nicht davon, so die Kritiker. Vor allem alleinerziehende Mütter würde das treffen. Und auch Studierende würden außen vor gelassen.
Die Regierung hat auf die Einwürfe reagiert. Der Bonus wird zwar weiterhin nicht als Negativsteuer ausgezahlt, aber es sollen die Absetzbeträge für Alleinerzieher und -verdiener erhöht werden. Zudem wird der Bonus natürlich auch bei Unterhaltsansprüchen gegenüber Expartnern eingerechnet werden. Und auch für Studenten soll es nun doch Geld geben. Dass der Verband sozialistischer Studenten dies als „Einsparungsmaßnahmen“ tituliert, weil es für über 18-Jährige nur 500Euro Steuerentlastung im Jahr gibt, zeigt, mit welch alternativen Fakten hierzulande mitunter argumentiert wird.
Auch an der grundsätzlichen Kritik von SPÖ, Arbeiterkammer oder Gewerkschaft hat sich nichts geändert. Es sei nun nicht mehr jedes Kind gleich viel wert wie noch bei Einführung der Kinderbeihilfe unter Bruno Kreisky in den 1970er-Jahren. Der Bonus sei eine Umverteilungsmaßnahme hin zu den „Reichen“.
Stimmt das? Das kommt auf die Definition von reich an. Aufgrund einer Sonderregelung reicht nun nämlich bereits ein Bruttoeinkommen von 1700 Euro im Monat, um den vollen Bonus für ein Kind zu erhalten. Laut Statistik Austria liegt das Medianeinkommen (inklusive Teilzeitbeschäftigten) mit 1930 Euro brutto im Monat bereits deutlich über dieser Schwelle. Verdient jemand das durchschnittliche Einkommen der Vollzeitbeschäftigten (3500 Euro brutto), geht sich sogar für fünf Kinder der volle Bonus aus.
Die reale Entlastung gegenüber dem Status quo wird dabei zwar geringer ausfallen, weil bisher gültige Absetzmöglichkeiten (die Gutverdiener bevorzugten) gestrichen werden. Unter dem Strich wird es für Eltern aber mehr Geld geben. Und man muss alles anderes als reich sein, um bereits ordentlich davon zu profitieren.
Anders gesagt ist der Familienbonus vor allem eine Förderung für die Mittelschicht. Für Lehrer, Industriefacharbeiter oder kleine Gewerbetreibende – allesamt Menschen, die bereits ganz ordentlich verdienen und von ihren Bruttogehältern knapp die Hälfte an Steuern und Sozialabgaben leisten, aber noch weit davon entfernt sind, wirklich wohlhabend zu sein. Und das ist durchaus eine sinnvolle Sache.
Denn die demografischen Fakten zeigen zwei Gründe für die niedrige Fertilitätsrate. Erstens gibt es einfach zu wenige Familien mit mehr als zwei Kindern. Und zweitens ist es vor allem die Mittelschicht, die vor der Mehrkindfamilie als Familienform zurückschreckt. Das ergab eine deutsche Studie des IW Köln aus dem Vorjahr, deren Ergebnisse wohl auch für Österreich Gültigkeit haben.
Demnach gibt es viele Kinder entweder bei sozial Schwachen oder bei wirklich Reichen. Denn für diese beiden Gruppen verändert sich der Lebensstandard durch mehr Kinder nicht. Bei der Mittelschicht können Kinder hingegen für finanzielle Probleme und eine Einschränkung der gewohnten Lebensart sorgen. Etwa, wenn es darum geht, Wohnraum für eine größere Familie in einer Stadt wie Wien zu finanzieren.
Insofern ist der Familienbonus auch ein Ausgleich innerhalb der Mittelschicht. Denn sowohl Eltern also auch Kinderlose werden innerhalb dieser Gruppe ja gleich besteuert. Erstere sorgen mit ihren Kindern jedoch beispielsweise dafür, dass das nach wie vor nicht nachhaltige Umlagepensionssystem auch in Zukunft funktioniert, wovon Zweitere wiederum profitieren.
Der Familienbonus wird die Österreicher um mehr als eine Milliarde entlasten. Manche werden das aus ideologischen Gründen weiterhin kritisieren. Für die Steuerzahler ist das in einem Land mit einer der höchsten Abgabenquoten weltweit aber eine gute Nachricht.
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.01.2018)