39-jährige Italienerin wird neue Viennale-Chefin

Die aus Bologna stammende Sangiorgi bei der heutigen Pressekonferenz.
Die aus Bologna stammende Sangiorgi bei der heutigen Pressekonferenz.(c) APA/ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER)
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Eva Sangiorgi übernimmt im März die künstlerische Leitung des größten österreichischen Filmfestivals – bislang war sie vor allem in Mexiko tätig. Eine Nachbesetzung im Geiste Hans Hurchs.

„Ich freue mich sehr, dass diese Information bis jetzt gehalten hat – ich muss gestehen, das ist mir überhaupt noch nie passiert“, scherzte Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny (SPÖ) am Donnerstag bei einer Pressekonferenz im intimen Rahmen des Wiener Metrokinos. Die Information, um die es ging, war die Neubesetzung der Viennale-Führung nach dem überraschenden Tod des 64-jährigen Langzeitdirektors Hans Hurch im vergangenen Juli. Tatsächlich wurde auch von Kennern des Filmfestivals bis zuletzt spekuliert, wer die Nachfolge antreten würde.

Nun ist es amtlich: Die neue künstlerische Leiterin des größten österreichischen Filmevents heißt Eva Sangiorgi. Bis dahin bleiben Geschäftsführerin Eva Rotter und der interimistische Leiter Franz Schwartz, der bei der letzten Festivalausgabe notgedrungen eingesprungen war, am Steuer.

Sangiorgi ist gebürtige Italienerin – sie stammt aus Faenza, einer Stadt in der Nähe Bolognas. Ihr Lebens- und Arbeitsmittelpunkt ist allerdings Mexico City, wo sie Kunstgeschichte studierte und 2010 das Festival Internacional de Cine UNAM (FICUNAM) mitbegründete. Als dessen künstlerische und kaufmännische Intendantin sowie als Jurymitglied, Kuratorin und Programmberaterin bei etlichen anderen Filmveranstaltungen in Mexiko und Europa hat sie sich als fixe Größe auf dem Parkett der cinephilen Festivalkultur etabliert. Auch als Publizistin, Produktionsassistentin und Unidozentin war die 39-Jährige tätig.

Eva Sangiorgi und Stadtrat Andreas Mailath-Pokorny.
Eva Sangiorgi und Stadtrat Andreas Mailath-Pokorny.(c) APA/ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER)

Offenheit für neue und aufregende Formen

Die Wahl, getroffen von einer aus Schwartz und sechs Mitgliedern des Viennale-Kuratoriums bestehenden Findungskommission, steht durchaus im Geiste Hurchs, dessen Haltung und Programmhandschrift nach 20-jähriger Leitung unverbrüchlich mit dem Image des Wiener Festivals verkoppelt ist. Sangiorgis Schwerpunktsetzungen bei FICUNAM zeugen von einer Offenheit für neue und aufregende Formen, aber auch von einem Bewusstsein für Politik und Geschichte des Kinos.
Sie ist Viennale-Stammgast, laut einem Text im Presseheft der Konferenz nimmt das Festival in ihrem „persönlichen Leben schon lange einen wichtigen Platz ein“. Gelobt wurde auch ihre Szene-Vernetztheit, mit der die internationale Ausrichtung der Viennale noch stärker betont werden solle – für Mailath-Pokorny auch ein bewusstes Signal gegen Provinzialismus. Hurch selbst hatte sich in Bezug auf seine Nachfolge dezidiert für eine internationale Lösung ausgesprochen, Eva Rotter ebenso.

Ausgeschrieben wurde die Stelle am 3. November, gleich nach der letzten Viennale-Edition. Bis zur Deadline am 5. Dezember langten 30 Bewerbungen ein – darunter 18 nationale und 12 internationale. 14 stammten von Frauen. Schwartz versicherte, man habe „alle gleich behandelt und letztendlich die Beste der Besten gefunden.“ Dass die neue Viennale-Spitze weiblich ist, dürfte auf allgemeinen Anklang stoßen. Auch Festival-Präsident Eric Pleskow hatte in den letzten Jahren dafür plädiert, dass nach Hurch eine Frau den Posten übernehmen sollte.

Viennale-Tradition „respektvoll fortsetzen“

Weniger erfreut könnten jene sein, die sich einen grundlegenden Strukturwandel beim Filmevent erhofft hatten. Sangiorgi meinte, sie wolle die Viennale-Tradition „respektvoll fortsetzen“ und „die Fähigkeiten des bewährten Teams nutzen“. Da die nächste Ausgabe im kommenden Herbst startet, die Vorbereitungen dafür bereits laufen und Sangiorgi noch einen FICUNAM-Jahrgang im Frühling zu absolvieren hat, wären große personelle und verwaltungstechnische Änderungen allerdings ohnehin schwierig – zumindest ohne Festival-Hiatus oder eine Verzögerung der Nachbesetzung.

Sangiorgi selbst gab sich bei der Konferenz dankbar, nüchtern, freundlich und erwartungsvoll, hielt sich kurz und mit detaillierten Zukunftsplänen zurück. Sie sei gespannt darauf, im Zuge ihrer Arbeit mehr über das österreichische Kino zu lernen und wolle sich bemühen, bestehende Kooperationen des Festivals weiterzuführen, etwa jene mit dem Österreichischen Filmmuseum. Einen spezifischen Fokus auf lateinamerikanisches Filmschaffen brauche man sich angesichts ihres Hintergrunds nicht erwarten. Aufhorchen ließ ihr Vorschlag, die programminterne Trennung zwischen Spiel- und Dokumentarfilm aufzuheben – theoretisch zeitgemäß, praktisch gewagt. Weiters angedacht seien die verstärkte Förderung junger, unbekannter Regisseure, Festivalkontakte zu Bildungseinrichtungen sowie abendliche Gespräche zwischen Filmschaffenden und Publikum.

Die deutsche Sprache will sie noch lernen

Vorgestellt wurden diese Ideen auf Englisch. Sangiorgi beherrscht vier Sprachen, Deutsch ist nicht darunter – während der Konferenz wurden ihr von einer Dolmetscherin diskret Übersetzungen zugeflüstert. Nach ihrer Übersiedelung nach Wien im März werde die neue Direktorin aber Deutschkurse besuchen und sei sehr motiviert, die Landessprache zu erlernen, beruhigte Eva Rotter.

Der von Hans Hurch gepflegte Wiener Schmäh ist also passé. Und auch in einer anderen Hinsicht unterscheid sich Sangiorni beim Ersteindruck von ihrem Vorgänger: Im Vergleich zu dessen altersweiser, schelmischer Verschmitztheit wirkt ihr Auftreten offenherzig und enthusiastisch. Also doch frischer Wind.

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