Wie China mit dem Dollar spielt

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Schon das Gerücht, dass China den Kauf von US-Staatsschulden stoppen könnte, ließ die Märkte erbeben. Aber die beiden Riesen bleiben aneinandergekettet – solang der Dollar Weltwährung ist.

Wien. Wer Schulden hat, der sollte seinem Financier nicht drohen: Man muss nicht viel über Devisenhandel und Geldpolitik wissen, um diese einfache Weisheit zu begreifen. Wohl deshalb führte eine Meldung, in der die Nachrichtenagentur Bloomberg führungsnahe Kreise aus China zitierte, am Mittwoch zu einer so heftigen Reaktion der Finanzmärkte. Die Botschaft lautete: Peking will den Aufkauf von US-Staatsanleihen reduzieren oder ganz stoppen, auch wegen der „handelspolitischen Spannungen“. Denn die US-Regierung plant für die kommenden Wochen scharfe Restriktionen auf den Import von Stahl und Aluminium sowie Strafaktionen gegen die Verletzung geistigen Eigentums, die man China vorwirft. Präsident Trump poltert immer wieder gegen die asiatische Wirtschaftsmacht. Da scheint es durchaus plausibel, dass der größte Auslandsgläubiger seinen Schuldner in die Schranken weist – zumal dessen Abhängigkeit zunimmt, wenn Trumps Steuerreform die US-Schulden weiter in die Höhe treibt.

Erholung nach offiziellem Dementi

Zwar hat Peking die Meldung am Donnerstag offiziell dementiert, worauf sich die gebeutelten Kurse von US-Bonds und Dollar wieder erholt haben. Aber die nervöse Reaktion zeigt, wie fragil das Gleichgewicht zwischen den unzufriedenen Partnern geworden ist. Es ist auch nicht auszuschließen, dass die chinesische Führung den Schuss vor den Bug sehr wohl gezielt abgefeuert hat. Aber sie weiß auch: Setzt sie die Drohung tatsächlich um, wäre es ein Schuss ins eigene Knie.

Zunächst ergibt sich die Rollenverteilung einfach aus den Handelsströmen: China exportiert sehr viel mehr in die USA, als es von dort importiert. Im Gegenzug zu den US-Leistungsbilanzdefiziten fließt ein Überschuss an Dollar ins Reich der Mitte. Irgendetwas muss man damit tun. Viel holt sich die Notenbank, kauft damit US-Staatsanleihen und türmt so ihre Devisenreserven auf.

Aber so leicht kann sie darauf auch nicht verzichten. Das zeigte sich in der Schwächephase der chinesischen Wirtschaft 2015 und 2016: Kapital floss ab, der heimische Renminbi verlor an Wert, Importe verteuerten sich. Um die Währung zu stabilisieren, musste die Zentralbank sie mit einem Teil ihrer Devisenbestände aufkaufen. Damit das rasch erfolgen kann, müssen die Bestände hoch liquide sein – und keine Papiere werden global in so großer Menge gehandelt wie US-Staatsanleihen. Das zeigt: So viel Manövriermasse, wie man angesichts der immer noch riesigen Berge an Reserven glauben möchte, haben die Chinesen nicht.

Zudem wäre ein Stopp der Bondkäufe kontraproduktiv: Wenn deren Kurse in den Keller rasseln, entwertet das die eigenen Bestände. Sinkende Kurse bedeuten zugleich steigende Renditen auf die Schuldpapiere der USA. Damit nicht Kapital in diese Richtung abfließt, müssten Chinas Zentralbanker die Zinsen anheben – was Investitionen bremsen und den Immobilienmarkt ins Schleudern bringen kann. Vor allem aber würde ein Schlag gegen den hoch verschuldeten US-Staatshaushalt bald auf Amerikas Realwirtschaft durchschlagen, mit dem Resultat, dass die Amerikaner den Chinesen weniger Waren abkaufen können.

Kurz gesagt: Diese großen Wirtschaftsmächte bleiben aneinandergekettet – obwohl beide mit dem Arrangement nicht mehr glücklich sind. Trump sieht es als Schwäche an, wenn die USA ständig hohe Leistungsbilanzdefizite schreiben und sich damit in aller Welt weiter verschulden. Und die Führung in Peking träumt von einer robusten eigenen Währung, die keine Absicherung durch Dollarreserven mehr braucht – wie es die Europäer mit der Einführung des Euro geschafft haben. Dazu aber müsste der Renminbi selbst zu einer globalen Reservewährung aufsteigen, und bis dahin ist der Weg noch weit. Kleine Schritte sind freilich möglich. Denn natürlich lassen sich die einfließenden Dollar auch kreativer einsetzen und „recyceln“: indem China die Schulden anderer Länder aufkauft, in Afrika und Südamerika investiert, die Fühler nach Russland und Europa ausstreckt und so seine Einflusssphäre erweitert. Aber sobald es seinen Devisenpool breiter streut, ist dieser wenig liquid und kann bei Währungsschwankungen nicht mehr so schnell Feuerwehr spielen.

Es gibt nur eine „goldene Kreditkarte“

Es hängt eben immer noch alles an dem System, das die Amerikaner mit dem Petrodollar in die Welt gesetzt haben. Ihr bis heute funktionierender Deal: „Wir sorgen für eine dauerhaft stabile, weltweit gängige Währung, in der alle ihre Rohstoffe handeln und eure Exporteure abrechnen können. Eure Notenbanken bauen damit Reserven auf, im Gegenzug verkauft ihr uns auf Pump Waren – nämlich größere Mengen, als ihr von uns beziehen wollt.“ Seit einem halben Jahrhundert konsumieren die USA damit mehr, als sie produzieren, und versorgen so die Welt mit Liquidität in der Weltleitwährung. Diese „goldene Kreditkarte“ ist praktisches Privileg und latente Gefahr zugleich – für den Fall, dass der Status flöten geht und die Amerikaner ihre Kreditwürdigkeit verspielen. Das ist immer noch unwahrscheinlich. Aber was, wenn der größte Gläubiger abspringt? Die Chinesen haben, trotz aller Dementis, diese Möglichkeit in Erinnerung gerufen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.01.2018)

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