Frischzellenkur für die Herzmuskeln

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Symbolbild. (c) imago/StockTrek Images (Photon Illustration)
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Medizin.Wissenschaftler untersuchen, wie Stammzellen auf geschädigte Herzmuskeln wirken. Die Behandlung könnte Patienten mit chronischer Herzschädigung helfen, für die es sonst keine therapeutischen Mittel gibt.

Unser Herz ist eine Erfolgsgeschichte der Evolution: Mehr als 100 Jahre lang kann es täglich 150.000 Mal schlagen und pumpt dabei bis zu 8000 Liter Blut durch den Körper. Doch das Herz kann auch erkranken. Ablagerungen in den Blutgefäßen können zu einer schweren oder sogar tödlichen Schädigung des Herzmuskels führen: dem Herzinfarkt. Wenn die Ablagerungen sich lösen, verklumpt das Blut und blockiert die Gefäße. Durch Sauerstoffunterversorgung wird der Herzmuskel massiv geschädigt.

Obwohl lange bekannt ist, dass jeder Einzelne durch gesunde Lebensweise sein Risiko drastisch vermindern kann und sich auch durch die verbesserten Methoden zur Behandlung von Herzinfarkten die Überlebenschancen enorm gesteigert haben, sind die sogenannten koronaren Herzerkrankungen bis heute die häufigste Todesursache in westlichen Ländern. Über 80.000 Menschen sterben jährlich österreichweit schlussendlich an ihren Folgen. Diese enorm hohen Zahlen zeigen, wie wichtig die Suche nach neuen Therapien ist.

Mitten ins Herz

In einer klinischen Studie testen Mediziner nun einen der neuesten Ansätze zur Behandlung des Herzens nach einem Infarkt: Dabei werden gesunde Stammzellen direkt in den Herzmuskel der Patienten eingebracht und sollen dort helfen, die geschädigten Muskeln und Blutgefäße zu regenerieren. An der klinischen Abteilung für Kardiologie der Med-Uni Wien leitet Mariann Gyöngyösi die Behandlungen: „Unsere Patienten haben nach einem Herzinfarkt trotz aller chirurgischen und medikamentösen Therapien noch immer Beschwerden und eine chronisch reduzierte Herzpumpfunktion. Ihnen soll durch die Stammzellen ein weiterer Therapieweg eröffnet werden, wo bisher keine Maßnahmen mehr zu Verfügung standen.“

Die Idee gibt es nun schon seit mehr als 15 Jahren, sie wurde auch schon in mehreren kleineren Studien an Patienten getestet – mit verschiedenen Zelltypen und mit bisher unterschiedlichen Ergebnissen. Nicht in allen Studien konnte ein positiver Effekt beobachtet werden. Die groß angelegte, von der Europäischen Kommission unterstützte Studie soll nun eindeutig klären, ob Stammzellen dem Herzen tatsächlich unter die Arme greifen und die Regeneration ankurbeln können.

Dabei ging man ursprünglich davon aus, dass die Stammzellen sich zu neuen Herzmuskeln und Gefäßen entwickeln und das vom Infarkt zerstörte Gewebe ersetzen. Tatsächlich scheinen die Zellen aber einen Mix an Faktoren in das geschädigte Gewebe abzugeben, der ein Signal zur Regeneration und Reaktivierung der sich schon dort befindlichen Zellen gibt.

Die dafür genützten Stammzellen, sogenannte regenerative Stromalzellen, wurden bisher vor allem aus dem Knochenmark oder Fettgewebe der Patienten gewonnen. Effektiver ist es allerdings, die Zellen standardisiert von gesunden Spendern zu beziehen und sie im Labor direkt vor der Transplantation zu kultivieren. Diese deutlich schnellere und sichere Technik macht die Therapie auch praktikabler für den Einsatz im Spital.

Bis 2020 sollen mehr als 130 Patienten in fünf Europäischen Krankenhäusern behandelt und der positive Effekt der Stammzellen auf die Herzfunktion geprüft – und so der Stammzellentherapie am Herzen endgültig der Weg in den Klinikalltag geöffnet werden.

LEXIKON

Körpereigene adulte Stammzellen, vor allem sogenannte mesenchymale Stromalzellen, befinden sich in fast allen Gewebetypen, insbesondere im Fettgewebe von Erwachsenen. Die Zellen haben hohes regeneratives und Zellteilungspotenzial, können also mehrere Gewebetypen neu bilden und tragen zur Aufrechterhaltung und Regeneration des Stütz- und Bindegewebes, wie Knochen, Knorpel und Muskel, sowie des Fettgewebes und der Blutzellen bei.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.01.2018)

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