Publikumsrat: Die ORF-Wahl, eine Staatsoperette

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Die SPÖ besteht auf der Faxwahl, obwohl nicht einmal ein Viertel der Haushalte ein Faxgerät hat, und preist das als "Demokratie". Die Vergabe der Wahlabwicklung bringt den ORF in Erklärungsnotstand.

Jetzt findet sie also statt, die teure Wahl. Von 26. Jänner bis 1. Februar sollen die ORF-Teilnehmer ihre Vertreter im Publikumsrat wählen, was den ORF 1,4 Millionen Euro kostet. Dafür hätte man Wunderwuzzi Dominic Heinzl locker noch ein zweites Studio bauen können. Oder den Sendemast am Bisamberg sanieren statt sprengen. Aber die Politik wollte die sinnlose Kür einiger Mitglieder eines völlig zahnlosen Gremiums nicht abschaffen. Es lebe die Staatsoperette!

Erster Akt: Die SPÖ besteht auf der Faxwahl, obwohl nicht einmal ein Viertel der Haushalte ein Faxgerät hat und preist das als „Demokratie“. Die Regierungsparteien bemühen sich, den Wahlberechtigten die Arbeit mittels organisierter Stimmabgaben zu erleichtern – auf den vorausgefüllten Formularen stehen nur Kandidaten der eigenen Partei zur Wahl. 2005 kam mehr als die Hälfte der Stimmen aus solchen Sammelorganisationen.

Zweiter Akt: Die Vergabe der Wahlabwicklung bringt den ORF in Erklärungsnotstand. Geschäftsführer der beauftragten Firma haben Verbindungen zu ORF-Sprecher Pius Strobl. Es gebe halt zu wenige Spezialisten in einem so kleinen Land, meint der. Ein Kandidat fordert eine Sonderprüfung des Rechnungshofs. Pause.


Dritter Akt: Weil bei den Formularen vergessen wurde die Teilnehmernummer aufzudrucken, muss der ORF an über drei Millionen Haushalte eine zweite Aussendung schicken. Im ORF will dafür keiner verantwortlich sein. Wer's weiß, kann die eigene oder jede x-beliebige Teilnehmernummer aus dem Barcode außen am Folder ablesen oder sie bei der ORF-Hotline erfragen. Der KritikerChor stimmt „Datenschutz ade!“ an.

Letzter Akt (eine Szenerie in der nahen Zukunft): Nachdem ein kleiner Teil der Gebührenzahler die Stimme abgegeben hat (2005: 5,5%), kann sich die SPÖ die Direktwahl und die Mehrheit im Stiftungsrat sichern (drei der sechs direkt gewählten Publikumsräte werden entsandt). Der Publikumsrat hat nichts zu sagen. Im SPÖ-dominierten Stiftungsrat kürt die Kanzlerpartei im Alleingang einen ORF-General. Operettenseligkeit! Vorhang!!!


isabella.wallnoefer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.01.2010)

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