Deutschland: Die Revolte der Jusos gegen die ungeliebte GroKo

Rädelsführer der Jusos und der Parteilinken: Kevin Kühnert.
Rädelsführer der Jusos und der Parteilinken: Kevin Kühnert. (c) APA/AFP/ODD ANDERSEN
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Das Motto der Jungsozialisten lautet „#NoGroKo“. In großen Teilen der SPD dominiert die Skepsis über eine Fortsetzung der großen Koalition. Martin Schulz und Andrea Nahles wollen die Stimmung an der Basis drehen.

Wien/Berlin. Im Duo touren Martin Schulz und Andrea Nahles derzeit durch die SPD-Landesverbände. Am Montagabend machten sie in Dortmund im Ruhrgebiet Station, der „Herzkammer“ der deutschen Sozialdemokratie, um die skeptische Basis vor dem Parteitag am Sonntag in Bonn von Koalitionsverhandlungen und letztlich dem Eintritt in die ungeliebte große Koalition (GroKo) zu überzeugen.

Schulz und Nahles, die frühere Juso-Chefin, fuhren den Gegnern der GroKo in den eigenen Reihen in die Parade. Sie würden die Ergebnisse der Sondierungen schlecht- und kleinreden, sagten sie. „Wir haben viel herausgehandelt“, lautet ihr Tenor.

Die Kritik war gegen Kevin Kühnert und Konsorten gerichtet, einen der aufmüpfigen Nachfolger von Nahles an der Juso-Spitze. Nahles hatte 1995 beim Parteitag in Mannheim mit Hilfe Oskar Lafontaines den SPD-Chef Rudolf Scharping gestürzt. Als Ex-Arbeitsministerin und Fraktionschefin rückt die 47-Jährige mit dem SPD-Vorsitzenden Schulz aus, um einen Juso-Aufstand niederzuschlagen. Mit 70.000 Mitgliedern repräsentieren die Jusos etwas weniger als ein Sechstel der SPD-Genossen.

„Verzwergung“

Die Mission Kühnerts, des 28-jährige Rädelsführers der Jungsozialisten aus Berlin, steht unter dem Motto „#NoGroKo“. Einen ersten Teilerfolg erzielte er beim Landesparteitag des kleinen SPD-Verbands in Sachsen-Anhalt am Wochenende. Mit einer Mehrheit von einer Stimme sprach sich die SPD für den Gang in die Opposition aus – zum Erstaunen des Außenministers Sigmar Gabriel, der für die Fortsetzung einer Koalition unter Führung Angela Merkels warb.

Vor vier Jahren hatte Gabriel als SPD-Chef seine Partei mit der Einführung eines Mindestlohns in ein Bündnis mit CDU/CSU gelockt. Die Stimmung unter den Genossen ist diesmal allerdings deutlich düsterer. „Es fehlt eine Idee, eine Erzählung“, monierte Kühnert.

Seit dem niederschmetternden Wahlabend im Willy-Brandt-Haus verweigert sich der Juso-Chef konsequent einer Regierungsbeteiligung, was damals ganz der Parteilinie entsprach. Seither wird Kühnert nicht müde, gegen eine Neuauflage der GroKo mobil zu machen. „Wir sind das Bollwerk gegen die GroKo.“ Beim Juso-Kongress in Saarbrücken initiierte er auch eine Unterschriftenkampagne. „Die Erneuerung der SPD wird außerhalb der großen Koalition sein – oder sie wird gar nicht sein“, trommelt er. Er fürchtet eine „Verzwergung“ der SPD und will als stärkste Oppositionspartei der AfD Paroli bieten. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt ortet indessen einen „Zwergenaufstand“ bei der SPD.

Das Meinungsklima bei der SPD ist noch recht volatil. In Nordrhein-Westfalen, dem mit fast 120.000 Mitgliedern stärksten Landesverband, kam bei einer Vorstandssitzung neulich viel Skepsis zum Ausdruck – ebenso wie bei den SPD-Vizevorsitzenden und Ministerpräsidentinnen Malu Dreyer und Manuela Schwesig. Sie pochen auf Nachbesserungen. Wolfgang Tiefensee, Thüringens SPD-Chef, plädiert gar für eine Begrenzung der Amtszeit auf zwei Jahre. Aufmunterungsrufe kommen dagegen von außen – von den Kommunen, den Gewerkschaften und von Frans Timmermans, dem niederländischen Parteifreund und Vizepräsidenten der EU-Kommission.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.01.2018)

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