Zwischen Darknet, Drogendeals und Apfelstrudel

imago/photothek
  • Drucken

Er hat Hunderttausende Euro verdient, in dem er über Silkroad, die bekannteste Darknet-Plattform, Drogen verkaufte. Jetzt ist er wieder auf freiem Fuß.

Sascha Flamm hatte einen Whirlpool in seinem Garten, gönnte sich vier Wochen im Vier-Sterne-Deluxe-Hotel in der Karibik und hatte einen Bentley vor der Haustüre stehen. Er genoss sein Leben in vollen Zügen, bis ihn die Polizei schwer bewaffnet in seinem Zuhause festnahm. Er hatte sein Geld mit Drogenhandel im Darknet verdient. Jetzt ist er auf Bewährung auf freiem Fuß und hat sein Leben - nach eigenen Angaben - wieder im Griff. Jetzt spricht er offen über das Dealen und wie es überhaupt so weit gekommen ist.

In einem Kaffeehaus bei Kaffee und Apfelstrudel trifft sich der 28-Jährige mit einem Redakteur des "Spiegel" und erzählt wie er seine Profi-Football-Karriere mit Anfang 20 wegen eines Kreuzbandrisses aufgeben musste. Die Schule war ab diesem Zeitpunkt nicht mehr wichtig für ihn, die Noten beim Realschulabschluss sprechen für sich. Er war orientierungslos und lebte von Kindergeld und Bafög (deutsche Bundesausbildungsförderung).

Silk Road

Um sich Geld dazu zu verdienen, begann er Gras anzubauen und zu verkaufen. Das nötige Wissen dafür kam aus dem Internet. Das ist nicht schwierig. Schon bald sollte er auf eine zweite Sphäre des Internets stoßen. Eine ganz andere Welt tat sich auf, als er das erste Mal vom Darknet und der Silkroad hörte.Ein digitaler Marktplatz, der 2011 online ging, dessen Server in Island standen und den Kauf von Drogen, Waffen, Hackerangriffe und zum Teil - so der Vorwurf - Menschenhandel ermöglichte. Gezahlt wurde über Bitcoins. 2014 konnte das FBI den Marktplatz schließen und die vermeintlichen Betreiber festnehmen. Das Zusperren von Silkroad hatte einen regelrechten Boom neuer, derartiger Umschlagplätze im Darknet zur Folge.

Es bedarf nicht viel technischen Wissens und einer großen kriminellen Ader, um sich Zugang zum Darknet zu verschaffen. Der heute 28-Jährige erzählt gegenüber dem "Spiegel" wie er sich innerhalb von knapp einer Viertelstunde Zugang verschafft hat. Nötig war dafür eine Internetadresse, eine digitale Karte, um sich im Darkweb überhaupt zurechtzufinden. Danach brauchte es noch einen Tor-Browser, einen sogenannten Onion-Router. Onion wie Zwiebel, denn genauso vielschichtig wie bei Zwiebelhäuten läuft die Datenübertragung ab. Die Information wird anonym und verschlüsselt über verschiedene Server geschickt. Am Ende ist alles wieder in Klartext lesbar.

Breaking Bad für Anfänger

»"Auf einmal so eine Riesennummer zu sein, das reißt einen total in so einen Bann"«

"Spiegel"

Schnell fand er einen Großhändler für MDMA, auch als Ecstasy oder "Molly" bekannt. Die Maschine, die die Drogen in Tablettenform presste, kaufte er ebenfalls online. Eine unauffällige Halle wurde zur Drogenfabrik. Im Darkweb machte er sich schnell einen Namen und erfreute sich bei den Käufern großer Beliebtheit. Zuverlässig und gute Drogen - so das Gesamturteil.

Plötzlich war er jemand. Der, dem im echten Leben nicht viel gelang, der an seinem großen Traum gescheitert war, hatte es zu etwas gebracht. Die Umstände und die Tatsache, womit er sein Geld verdiente, interessierte ihn nicht mehr. Dieses gute Gefühl wollte genährt werden: "Leider hat es noch mehr den Ehrgeiz geweckt."

Das Dealen wurde zu einer Sucht, mit der auch die eigene Sucht nach Kokain einherging. Das Geld, das er verdiente, war ihm wichtig geworden, aber je mehr Kunden er bekam, umso paranoider wurde er. Drei Monate bevor Silkroad vom Netz genommen werden konnte, war ihm auch bereits die deutsche Polizei auf den Fersen. Der Kauf eines verdeckten Ermittlers brachte die Fingerabdrücke und weitere Fehler ließen die Festnahme näher rücken.

Eines Morgens war es dann soweit und die Polizei stürmte in sein Haus und nahm ihn fest. Sieben Jahre Haft und ein Entziehungsprogramm hieß es damals und der Fiskus klopfte an. Der wollte nämlich die Steuern. Auch bei Drogengeld. Die Strafe musste er nicht zur Gänze absitzen und jetzt habe er dank Frau, Kind und Job sein Leben wieder im Griff.

Darknet nicht nur für zwielichtige Gestalten

Ursprünglich war das Darknet dazu geschaffen worden, um sichere Kommunikation zu ermöglichen. Anonymität wird damit ermöglicht. In Ländern wie China, Syrien oder Marokko bedeutet das Darknet einen sicheren, digitalen Raum für Menschenrechtsaktivisten, Journalisten und Widerstandskämpfer. Nicht die Anonymität ist kriminell, sie zieht auch Kriminelle an. Und mit der Zeit hat sich dort eine eigene Szene etabliert, die neben Drogen auch "Crime as a Service" anbieten. Man kann Verbrechen bestellen, wie Klopapier auf Amazon.

>>> Spiegel

(Red.)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Symbolbild
Wien

Nachschub über Darknet: Drogenhändler in Wien gefasst

Zwei Männer bestellten im Darknet Drogen, liesen sie per Post nach Wien liefern und gaben das Suchtgift an weitere Subdealer ab.
Karriere-News

Riskantes Shopping im Darknet

Geschäftsmodell. Käufer wie Verkäufer stolpern über die Schnittstelle zum realen Leben.
Internet

Deep Web: In den dunklen Ecken des Internets

Das Internet ist weitaus mehr, als der Nutzer annimmt. Vieles in der digitalen Welt spielt sich unter der Oberfläche ab. Dort bietet sich ein Umschlagplatz für Drogen, Waffen und falsche Pässe. Eine Reise in das verborgene Netz.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.