Für Raiffeisen wird es in Russland eng

General view of the logo of Raiffeisen Bank International on an office building in Vienna
General view of the logo of Raiffeisen Bank International on an office building in ViennaREUTERS
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Für Geldinstitute wie Raiffeisen ist Russland die wahre Cash Cow. Das könnte auch weiterhin so bleiben. Aber auf dem Markt findet inzwischen eine ganz andere Tendenz statt. Sie ist furchterregend. Ein Raiffeisen-Manager schlägt Alarm.

Wenn ein Top-Manager einer ausländischen Bank in Russland es wagt, die Zustände und bedenklichen Tendenzen in der dortigen Branche sogar öffentlich anzuprangern, muss die Situation allmählich doch dramatisch sein. Und liest man den Namensbeitrag, den der Stellvertretende Chef von Raiffeisen Russland, Andrej Stepanenko, Ende Dezember in der führenden Wirtschaftszeitung „Wedomosti“ publiziert hat, so bestätigt sich dieser Eindruck auch sogleich. Wenn es so weitergehe, werde der Staat beizeiten zum alleinigen Finanzdienstleister wie in der Sowjetunion, so Stepanenkos resümierendes Szenario. Zuvor führt er an einigen Beispielen aus, mit welchen Schwierigkeiten private Banken im Unterschied zu den bevorzugten staatlichen Giganten konfrontiert sind.

„Aufgrund der bewusst ungleichen Bedingungen versuchen die Privatbanken mit den staatlichen nicht zu konkurrieren, sondern suchen ihre Nische", so Stepanenko. Aber selbst wenn man mit Technologie oder Qualität im Service punkten wolle, werde man preislich von den staatlichen Anbietern ausgestochen. Diese hätten außerdem durch ihren Zugang zu den Daten der Steuerbehörde und des Pensionsfonds weitaus bessere Möglichkeiten, Kreditanalysen im Retailgeschäft vorzunehmen. Vor allem aber reiße der Staat mit seinen großen Geldinstituten Marktanteile in einer ähnlichen Geschwindigkeit an sich, wie er es in der gesamten Wirtschaft mache, schreibt Stepanenko. Im Bankensektor betrage der Staatsanteil mittlerweile fast zwei Drittel.

Der große Profiteur

Tatsächlich wurde die Tendenz zuletzt verstärkt, seit der Staat im Vorjahr gleich drei große russische Privatbanken, die ins Straucheln gekommen waren, übernommen hat. Größter Profiteur von der Konsolidierung ist der Branchenprimus Sberbank, der mehrheitlich in den Händen der Zentralbank liegt und im Vorjahr einen Quartalsrekord nach dem anderen präsentierte. Zu Wochenbeginn hat die Sberbank ihre Zahlen für das Gesamtjahr 2017 gelegt: Nach russischen Rechnungslegungsstandards wurde der Gewinn um 30 Prozent auf 674 Mrd. Rubel (9,75 Mrd. Euro) gesteigert.

Was die ausländischen Geldinstitute betrifft, so ist Raiffeisen als eines der wenigen immerhin noch auf dem russischen Markt präsent und hat in den ersten neun Monaten des Vorjahres vor allem aufgrund des Kreditgeschäftes mit Privat- und Firmenkunden „eine sehr positive Entwicklung gezeigt“, wie Konzernchef Johann Strobl kürzlich im Interview mit dem „Handelsblatt“ sagte.

Die Ausländer ziehen ab

Die meisten ausländischen Mitbewerber haben das Feld von 2010 an sukzessive geräumt, nachdem sie in den Jahren der Rohstoffhausse aggressiv und vielfach über teure Akquisitionen im Land zugekauft hatten. Goldman Sachs zog sich zurück, die spanische Santander ebenso, dazu Barclays und die niederländische Rabobank, die WestLB, die schwedische Handelsbanken und die belgische KBC Group, die schwedische Swedbank, die Royal Bank of Scotland und die Garanti Bank. Und die Deutsche Bank hat nach diversen Skandalen das Geschäft auf einen Bruchteil heruntergefahren. Heute rangieren nur noch vier ausländische Banken unter den Top-30 (nach Bilanzsumme) des Landes: UniCredit (Platz zwölf), Raiffeisen (Platz 14), Rosbank (kontrolliert von der französischen Société Générale) und Citi. In die Top-Ten gehen sie dennoch nicht ein. Und selbst von den russischen Privatbanken befinden sich dort nur noch zwei.

Der Kahlschlag

Das Jahr 2017 markierte einen neuen Meilenstein in der Konsolidierung der russischen Bankenlandschaft. Hatte die Zentralbank bis dahin seit 2013 zwar Hunderte, aber nur kleine Geldinstitute vom Markt genommen, so 2017 zum ersten Mal eine große Privatbank (Jugra). Außerdem überführte sie drei große Privatbanken in die Staatshände.

Auch 2018 werde es bei zahlreichen Banken unterschiedlicher Größe ans Eingemachte gehen, meint Kirill Lukaschuk, Bankanalyst der russischen Ratingagentur Akra. Und überhaupt werde der Konsolidierungsprozess noch zwei, drei Jahre andauern, so Zentralbank-Chefin Elvira Nabiullina.

Allgemeiner Einschätzung zufolge gelten bis zu 50 Banken dieses Jahr als gefährdet. Es sind die Folgen der einst aggressiven Expansion und der anschließenden Wirtschaftskrise von 2014 bis zum Vorjahr, die auf den Geldinstituten lasten. Eine niedrige Qualität der Aktiva und ungenügende Reserven seien die Hauptprobleme, so Lukaschuk: Wie die Banken die Jahre 2018 und 2019 überleben, werde vom wirtschaftlichen Umfeld abhängen.

Wie wachsen?

Zwar ist im Vorjahr nach eine zweijährigen Rezession das Wachstum zurückgekehrt, aber letzten Einschätzungen zufolge wird es sich auf etwa 1,7 Prozent beschränkt haben, obwohl mehr prognostiziert worden war. Die Erholungsdynamik begann in den vergangenen Monaten zu verpuffen. Für 2018 und die folgenden Jahre prognostiziert die Zentralbank 1,5 bis zwei Prozent Wachstum, sofern keine Strukturreformen durchgeführt werden. Vorerst sind nicht nur sie nicht in Sicht. Vorerst drohen Anfang Februar neue Sanktionen seitens der USA. Und auch die russischen Präsidentenwahlen Mitte März und die folgende Regierungsbildung lassen zumindest für das erste Halbjahr noch keinen neuen Schwung erwarten.

Der Rubel scheint immerhin stabil zu sein, nachdem der Zahlungsbilanzüberschuss um geschätzt 45-50 Mrd. Dollar angewachsen ist. Vor allem der nun hohe Ölpreis wirkt als Stütze.

Das Hyperministerium

Was den Bankensektor betrifft, so dürften die Privatkundenkredite, die schon 2017 zulegten, wieder richtig anlaufen. 20 Prozent Wachstum prophezeit Oleg Solncev, Bankexperte des Moskauer Wirtschaftsforschungsinstituts ZMAKP, in einer Analyse. Bei Unternehmenskrediten sei die Dynamik verhaltener und maximal halb so stark. Weil die Kredite schneller wachsen als die Einlagen, werde der Liquiditätsüberschuss schrumpfen. Als Hauptrisiko nennt er jedoch die unbekannten Kapitallücken in den Banken. Er schätzt sie auf eine Billion Rubel.

Wie viele Eigentümer diese Löcher noch selbst stopfen und auf dem Markt bleiben wollen, werde sich laut Solncev erst zeigen. Andernfalls kommt die Lösung der Zentralbank zu, die in Russland mit ihrer Funktionsanhäufung zu einem Hyperministerium zu werden drohe. Je nachdem wie viele sie rette, steige oder sinke die Wahrscheinlichkeit, dass das Banksystem selbst zu einem Risiko für die Wirtschaft und zu einem Grund für einen Rückgang der Produktion werde.

Das größte Risiko 2018 aber werde die Frage zusätzlicher Sanktionen seitens der USA werden. Sollte Vermögen großer Spieler eingefroren werden, seien in Russland selbst eine panische Reaktion und ein Vertrauensverlust auf dem Zwischenbankenmarkt nicht ausgeschlossen. Auch der Rubel könnte entsprechend nach unten gerissen werden.

Noch deutet nichts darauf hin, dass 2018 ein stabiles Jahr für den russischen Bankensektor wird.

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