Wiens neue Straßenbahn, die Ende 2018 erstmals mit Passagieren unterwegs ist, bietet viel Platz. Und ist hübscher als die ULF-Garnituren.
Wien. Sie hat ein schmales Gesicht. Im Vergleich mit den ULF-Garnituren wirkt die neue Flexity-Straßenbahn, die die Wiener Linien am Donnerstag offiziell vorgestellt haben, höher und etwas filigraner. Das ist, so beteuert man bei den Wiener Linien, aber vor allem ein optischer Effekt. Weil die Vorderseite gerader ist als beim ULF, nicht oben an der Frontscheibe hin nach hinten geneigt ist. Und auch das Design der 3,4 Meter hohen Straßenbahn dürfte dabei eine Rolle spielen – die weißen Streben an der Front, die in den Dachbereich mit einer weißen Blende übergehen, bilden einen Rahmen, wie ihn der großteils graue ULF nicht hatte. Das ist auch optisch eines der wichtigsten Signale – Rot-Weiß ist wieder da. Und damit auch wieder die Anlehnung an die alte Optik der Wiener Straßenbahnen – der graue ULF bleibt also ein etwas zu nüchternes Zwischenspiel.
Boden nicht durchgängig flach
So schmal der Flexity außen wirkt, so geräumig präsentiert er sich von innen. Das zeigt sich schon beim Blick durch den Wagen – der ist nämlich durchgängig möglich, weil die Seitenkästen im Vergleich zum ULF deutlich schmäler ausfallen. Das hat wiederum mit der unterschiedlichen Konstruktion der Räder zu tun – im Gegensatz zum ULF gibt es keine Einzelradaufhängung. Das spart Platz und soll auch bei der Wartung einfacher und dadurch billiger sein. Allerdings bringt die Technik einen anderen Effekt mit sich, den es bei den bisherigen Niederflurstraßenbahnen nicht gab – dass der Boden nämlich nicht durchgängig flach, sondern über den Rädern leicht angehoben ist. Etwa vier Zentimeter ist der Niveauunterschied. Im Eingangsbereich ist der Flexity allerdings flach, und auch die Einstiegshöhe liegt mit 215 Millimetern so, dass die Garnitur barrierefrei zugänglich ist.
In der 34 Meter langen und 2,4 Meter breiten Straßenbahn sind zwei Plätze für Rollstühle vorgesehen, für Kinderwagen gibt es acht Plätze. Was die Sitze angeht – neben 149 Stehplätzen fasst eine Garnitur 62 Sitzplätze –, gibt es mehrere Varianten. Neben Doppelsitzen, Einzelsitzen und Klappsitzen fallen besonders die Familiensitze auf. Die haben etwa die eineinhalbfache Breite eines Einzelsitzes und sollen vor allem Eltern mit Kindern ansprechen. Sollte man kein Kind dabeihaben, kann man sich darauf halt ein bisschen wie in der Businessclass fühlen.
Wobei man natürlich keine gepolsterten Sitze erwarten darf – wie schon beim ULF gibt es auch in den vom Designbüro Döllmann geplanten neuen Garnituren die charakteristischen roten Sitze aus Kunststoff, wenn auch – im Profil gut ersichtlich – deutlich ergonomischer geformt. Die Haltestangen sind, Corporate Identity sei Dank, auch im Flexity gelb. Und dann gibt es noch einen weiteren Blickfang – die Bildschirme, die an der Decke montiert sind. Auf denen wird es Informationen für Fahrgäste geben, von Stationsanzeigen bis zur Werbung.
Insgesamt wirkt der erste Flexity-Wagen recht, sagen wir, wohnlich. Wie er sich schlägt, wenn er voller Fahrgäste ist, wird sich weisen. Dann wird klar, ob die Passagiere den kleinen Niveauunterschied über den Rädern als störend empfinden, wie die eineinhalbfach breiten Sitze genutzt werden und auch, ob das Fahrverhalten ruhiger als beim ULF ausfällt.
Bis es so weit ist, vergeht allerdings noch einige Zeit. In etwa vier Wochen sollen die ersten Testfahrten in Wien anlaufen – auf den Linien 1, D, 6 und 71. Der Betrieb mit Passagieren wird allerdings erst Ende 2018 beginnen. Und dann sollen sukzessive weitere Garnituren ausgeliefert werden – bis 2026 sind mindestens 119 Exemplare bestellt, eine Aufstockung auf 156 Fahrzeuge ist aber möglich.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.01.2018)