„Türkei ist ein Kollateralschaden“

Recep Tayyip Erdoğan.
Recep Tayyip Erdoğan.(c) APA/AFP/ADEM ALTAN (ADEM ALTAN)
  • Drucken

Nahost. US-Pläne in Syrien zeigen Entfremdung zwischen Washington und Ankara.

Washington. Wenn der türkische Präsident, Recep Tayyip Erdoğan, über die USA spricht, klingt das dieser Tage nicht besonders freundlich. Washington plane eine „Terrorarmee“ im türkischen Nachbarland Syrien, schimpft er. Die Spannungen zwischen den beiden Nato-Partnern wegen der US-Unterstützung für die syrischen Kurden könnten das Verhältnis der beiden traditionellen Verbündeten auf Dauer zerrütten – und die Abwendung der Türkei vom Westen beschleunigen.

Schon seit Jahren beklagt Erdoğan die Waffenhilfe Washingtons für die syrischen Kurden, wichtige Verbündete der USA im Kampf gegen den Islamischen Staat (IS). Mehreren Tausend Lkw voller Waffen sollen die Amerikaner der Kurdenmiliz YPG geschickt haben. Bisher hatte die Türkei gehofft, dass die US-Hilfe für die Kurden nach dem militärischen Sieg über den IS endet. Mit der Ankündigung der Trump-Regierung, eine von den Kurden dominierte, 30.000 Kämpfer starke „Grenztruppe“ in Nordsyrien aufzubauen, hat sich diese Hoffnung zerschlagen.

Nach Auflösung des IS-„Kalifats“ will Washington im Syrien-Konflikt vor allem einen weiteren Machtzuwachs des regionalen Gegenspielers Iran verhindern, sagt Joshua Landis, Syrien-Experte an der Universität von Oklahoma. Die neue Grenztruppe dient den USA demnach als Instrument, um den an Bodenschätzen reichen und landwirtschaftlich wichtigen Norden Syriens dauerhaft kontrollieren zu können. Der Iran, Russland und der syrische Präsident, Bashar al-Assad, sollten auf diese Weise an einem endgültigen Sieg im Bürgerkrieg gehindert werden.

In die Arme Russlands

Da sich die USA ganz auf die syrischen Kurden und auf die Abwehr des Iran einlassen, wird die Türkei zum „Kollateralschaden“ der amerikanischen Syrien-Politik, wie Landis der „Presse“ sagte. Damit treibe Washington die Türken „in die Arme Russlands“. Die Türkei hatte ihr Verhältnis zu Moskau stark verbessert und ihre Nato-Partner mit der Entscheidung zum Kauf eines russischen Raketenabwehrsystems irritiert. Doch US-Politiker sind Landis zufolge überzeugt, dass Erdoğan trotz seiner harschen Rhetorik am Ende keine Alternative zur Westbindung habe.

Die US-Prioritäten widersprechen den türkischen Interessen diametral: Erdoğan und seine Regierung sehen eine gut ausgerüstete YPG als Gefahr für die nationale Sicherheit. Nicht zuletzt deshalb droht Ankara mit einem Einmarsch in die kurdisch beherrschte Stadt Afrin im Nordwesten Syriens. Laut Medienberichten sind die türkischen Panzer, die für die Afrin-Intervention an der Grenze zusammengezogen werden, mit speziellen Abwehrschilden ausgerüstet: Die YPG verfüge über Panzerabwehrraketen aus US-Beständen, berichtete die Zeitung „Hürriyet“. Außenminister Mevlüt Cavusoğlu warnte seinen US-Kollegen, Rex Tillerson, bei einem Treffen in Kanada vor einem „irreversiblen Schaden“ für die Beziehungen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.01.2018)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Syrische Flüchtlinge an der Grenze zur Türkei
Außenpolitik

"Human Rights Watch": Türkische Grenzer schießen auf Flüchtlinge

"Syrer, die auf der Suche nach Sicherheit und Asyl zur türkischen Grenze fliehen, werden mit Kugeln und Beschimpfungen zur Umkehr gezwungen", kritisiert die Menschenrechtsorganisation. Und fordert Präsident Erdogan zum Handeln auf.
Außenpolitik

Syriens Regime kritisiert türkische Offensive als "Aggression"

Damaskus droht der Regierung in Ankara mit Gegenmaßnahmen. Der türkische Außenminister weist Frankreichs Bedenken wegen des Militäreinsatzes gegen Kurdenmilizen in Nordsyrien zurück.
Protest mit einem Transparent am Wiener Stephansdom
Wien

Protest am Stephansdom: "Frieden für die Kurden in Syrien"

Aktivisten ließen ein Transparent von der Balustrade der Kirche hinunter. Dompfarrer Toni Faber sprach von einem "positiven Friedenszeichen".
Außenpolitik

Türkei: Haftbefehl für Mediziner, die Frieden wollen

Die türkische Justiz wirft den Ärzten Terrorpropaganda vor.
Die Türkei fliegt Luftangriffe auf kurdische Stellungen in der syrischen Region Afrin.
Außenpolitik

Türkische Luftangriffe sollen historischen Tempel beschädigt haben

Syrien beklagt schwere Schäden am 1000 Jahre alten Tempel im syrischen Afrin. Die Türkei nahm 300 Personen in der Türkei wegen "Terrorpropaganda" über den türkischen Einsatz in der Afrin fest.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.