Flüchtlingshelferin Ute Bock ist tot

Ute Bock anlässlich ihrer Auszeichnung mit dem Goldenen Verdienstzeichens der Republik Österreich im Oktober 2012
Ute Bock anlässlich ihrer Auszeichnung mit dem Goldenen Verdienstzeichens der Republik Österreich im Oktober 2012APA/ROLAND SCHLAGER
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Die bekannte Flüchtlingshelferin Ute Bock ist am Freitag in den frühen Morgenstunden 75-jährig gestorben. Für Bundespräsident Van der Bellen "verliert Österreich einen außergewöhnlichen Menschen".

Die prominente Flüchtlingshelferin Ute Bock ist am frühen Freitagmorgen gestorben. Das teilte der Verein "Flüchtlingsprojekt Ute Bock", dessen Gründerin, Obfrau und Schirmherrin Ute Bock war, auf seiner Homepage mit. Bock sei "nach kurzer schwerer Krankheit um 4:40 Uhr im Kreise ihrer Schützlinge im Ute Bock Haus" verstorben, hieß es. Für ihr Engagenment wurde Bock 2012 vom damaligen Bundespräsidenten Heinz Fischer mit dem Goldenen Verdienstzeichen der Republik Österreich ausgezeichnet, außerdem erhielt sie von Renner- bis Kreisky-Preis zahlreiche weitere Ehrungen.

Zohmanngasse als symbolträchtiger Ort

Bock, am 27. Juni 1942 in Linz geboren, begann nach der Matura in einem Heim für schwer erziehbare Sonderschüler zu arbeiten. Der nächste Weg führte sie nach Wien-Favoriten, in die Zohmanngasse, bis heute ein symbolträchtiger Ort für Bock-Freunde wie Gegner. Dort stand in den 1970er-Jahren ein Gesellenheim, Bock kümmerte sich dort zunehmend um Fälle aus schwierigen sozialen Verhältnissen. 1976 wurde sie Leiterin der Einrichtung.

In den 1990er-Jahren wandelte sich das vormalige Gesellenheim immer mehr in ein Quartier für junge Zuwanderer, zunächst aus dem Jugoslawien-Krieg, später auch für viele Afrikaner. Letztere Gruppe war es auch, die Bock immer wieder Probleme mit Anrainern einbrachte, die sich an der recht großen Afrikaner-Kolonie mitten in Favoriten stießen. 1999 dann der Tiefpunkt im Bock'schen Wirken: Bei der nicht unumstrittenen Polizeiaktion "Operation Spring" wurde "die Zohmanngasse" Ziel einer Razzia, bei der etwa 30 Afrikaner unter Verdacht des Drogenhandels festgenommen wurden.

Von Favoriten in die Leopoldstadt

Wenig später war Bock in Pension, was ihr Engagement aber nicht beendete. Ganz im Gegenteil, mit eigenen Renteneinkünften und Gaben von Sponsoren wurden Unterkünfte für obdachlose Flüchtlinge lukriert. Bocks Einrichtungen wurden auch zur Briefkasten-Adresse für jene, die kein Dach über dem Kopf hatten und einen Meldeort benötigten. Gewechselt wurde die Hilfszentrale. Von Favoriten ging es in die Leopoldstadt.

Die von ihren Schützlingen gerne als "Mama" betitelte Oberösterreicherin schwang sich mit ihrem Wirken schnell zu einer Art Kult-Figur auf, was beim Lukrieren von Geldern durchaus hilfreich war. Die wohl bekannteste Aktion war "Bock auf Bier", bei der in Dutzenden Wiener Lokalen ein 10-Cent-Zuschlag zugunsten der Bock-Einrichtungen eingehoben wurde. Bock selbst meint zu solchen Aktivitäten: "Ich brauch' die Reklame, und ich brauch' das Geld." Alles Bemühen vor allem der Kulturwelt hätte freilich nichts genützt, wäre nicht der Industrielle Hans-Peter Haselsteiner in die Bresche gesprungen, als 2008 Bocks Verein finanziell vor dem Aus stand und die Helferin sogar mit dem Sprung aus dem Fenster drohte.

Ute Bock 2012 beim damaligen Bundespräsidenten Heinz Fischer
Ute Bock 2012 beim damaligen Bundespräsidenten Heinz FischerAPA/Dragan TATIC

Fischer als prominenter Unterstützer

Später lief alles wieder in ruhigeren Bahnen ab. Bock bekam ein neues Haus, das eigentlich ein altes war, wieder in der Zohmanngasse, sehr zum Unwillen der örtlichen Freiheitlichen und vieler Anrainer. Ende 2013 überstand sie einen schweren Schlaganfall, wieder gab es Geldsorgen. Sie musste kürzertreten, kehrte 2014 aber in ihr Wohnprojekt zurück. Prominente Unterstützer hatte sie viele, darunter Alt-Bundespräsident Heinz Fischer.

Im Herbst 2015, als die Flüchtlingskrise am Höhepunkt war und Tausende am Wiener Westbahnhof strandeten, erhob sie die Stimme und warnte vor Scheinheiligkeit. "Es ist nicht das wichtigste, dass die Leute da einen Kilo Brot hintragen", meinte sie in einem Interview mit der Austria Presseagentur. Das Schlimmste sei "dass wir so eine fürchterliche Einstellung haben - wenn ich in der Straßenbahn höre, 'wären sie halt daheim geblieben', das ist unerträglich".

Politik und Zivilgesellschaft würdigen Bock

Bis zur letzten Sekunde habe sich Bocks ganzes Denken und Handeln um das Wohlergehen geflüchteter Menschen gedreht, hieß es nun am Freitag seitens des Flüchtlingsprojekts. Der Erfüllung ihres größten Wunsches, eines Tages überflüssig zu werden, sei man gerade in Zeiten wie diesen ferner denn je. "Tugenden wie Zivilcourage, Solidarität und Menschlichkeit hat uns Frau Bock Zeit ihres Lebens gelehrt", hieß es: "Ohne viele Worte hat sie einfach gehandelt, sich selbst hat sie dabei nie geschont."

Für Caritas-Präsident Michael Landau war Ute Bock eine "beeindruckende Frau und ein mutiger Mensch". Ihr "unermüdlicher Einsatz für Menschen, die vor Verfolgung, Krieg und Elend flüchten" habe sie zu einer "Leitfigur der österreichischen Zivilgesellschaft" gemacht. Für Bundespräsident Alexander Van der Bellen "verliert Österreich einen außergewöhnlichen Menschen". Ute Bock habe "uns gezeigt, was Menschsein bedeuten kann. In ihren Projekten wird ihr Engagement weiterbestehen." Kanzler Sebastian Kurz schrieb auf Twitter: "Ihr langjähriger Einsatz & ihre Zivilcourage haben unser Land geprägt & verdienen unseren Respekt." Er drückte Familie und Freunden seine "tiefe Anteilnahme aus". Wiens Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) würdigte Bock als "überzeugte Humanistin". Vieles, wofür Wien stehe, "war in Ute Bock verkörpert und lebt in ihrem Andenken weiter".

Weitere Reaktionen:

Familie lehnt Ehrengrab ab

Ute Bock wird nicht in einem Ehrengrab beigesetzt. Die Familie habe das entsprechende Angebot der Stadt Wien "aus Gründen der Privatheit" abgelehnt, informierte das Büro des zuständigen Kulturstadtrats Andreas Mailath-Pokorny (SPÖ).

Am 2. Februar soll um 17 Uhr am Heldenplatz in Wien ein "Lichtermeer für Ute Bock" stattfinden, hieß es auf einer via Social Media verbreiteten Einladung des Vereins "Flüchtlingsprojekt Ute Bock" und von "Bock auf Kultur".

Zum Nachlesen:

>> "Presse"-Interview mit Ute Bock für die Rubrik "Über Geld spricht man" im Oktober 2012: „Mein letzter Urlaub war im Jahr 1976“

>> Interview der "Presse am Sonntag" mit Ute Bock im November 2010: "Gott hat ihm zehn Jahre aufgebrummt"

>> Text zum Tod von Ute Bock auf der Homepage des "Flüchtlingsprojekts Ute Bock"

>> Lichtermeer für Ute Bock auf Facebook

(Red./APA)

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