Wie Trump die Welt verändert

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„Muslim-Bann“, Bestellung eines Höchstrichters, Steuerreform, die Jerusalem-Frage: Der US-Präsident schlug Pflöcke ein.

Bescheidenheit ist seine Sache nicht. Er sei nun einmal ein Genie, sagt US-Präsident Donald Trump kürzlich. Sein erstes Amtsjahr als 45. Präsident der Vereinigten Staaten hat laut Trump klar gezeigt, dass es mit dem Land steil nach oben geht. Das Chaos in der Regierung, die Russland-Affäre und sein Hang zur Dampfplauderei verdecken häufig den Blick auf die Tatsache, dass der Populist im Weißen Haus tatsächlich damit begonnen hat, sein Land und die Welt zu verändern.

Wirtschaft & Steuern

Die im Dezember verabschiedete Reform ist der bisher bedeutendste Gesetzgebungserfolg des Präsidenten. Mit ihr wurde die Körperschaftsteuer von 35 Prozent auf 21 Prozent gesenkt, der Spitzensatz bei der Einkommensteuer sank von 39,6 auf 37 Prozent. Damit will Trump die US-Wirtschaft konkurrenzfähiger machen. Zumindest kurzfristig hat Trump sein Ziel erreicht. US-Großunternehmen wie Apple kündigen neue Milliardeninvestitionen in den USA an.

Laut Kritikern profitieren Unternehmen und die Wohlhabenden jedoch wesentlich stärker von den Steuererleichterungen als mittlere und untere Einkommensschichten. Aus der von Trump versprochenen großen Vereinfachung des Steuersystems ist ebenfalls nichts geworden. Außerdem weiß niemand so genau, wie die Steuersenkungen bezahlt werden sollen: Unabhängige Berechnungen gehen von einer Deckungslücke von bis zu 1,5 Billionen Dollar über zehn Jahre aus.

Trump hofft auf einen Wirtschaftsboom und damit höhere Steuereinnahmen, um die Zeche zu bezahlen. In seinem ersten Amtsjahr hat der Aktienindex Dow Jones nicht weniger als 70 Mal neue Höchstmarken erreicht, es sind rund 1,6 Millionen neue Arbeitsplätze entstanden. In typischer Manier spricht Trump von nie da gewesenen Erfolgen. Kritiker weisen jedoch darauf hin, dass Barack Obama in jedem seiner letzten vier Amtsjahre mehr neue Jobs schuf als Trump in seinem ersten Jahr.

Einwanderung

Einige der wichtigsten Veränderungen seines ersten Amtsjahres setzte Trump ohne Parlamentsentscheidung um. Mit einiger Mühe und insgesamt drei Anläufen führte er Einreisebeschränkungen für Menschen aus bestimmten muslimischen Ländern ein. Kritiker sehen den „Muslim-Bann“ als Ausdruck einer zutiefst unamerikanischen Intoleranz, während seine rechtsgerichtete Wählerbasis applaudiert. Abschreckende Rhetorik des Präsidenten, intensive Kontrollen und verstärkte Abschiebungen ließen zudem die Zahl illegaler Grenzübertritte aus Mexiko auf den niedrigsten Stand seit fast zwei Jahrzehnten fallen.

Gleichzeitig erschwerte Trump den Zuzug Hilfesuchender in die USA: In diesem Jahr sollen nur 45.000 Flüchtlinge aufgenommen werden. Trump verkündete zudem das bevorstehende Ende der Duldung von Kindern illegaler Einwanderer, den 800.000 sogenannten Dreamers. Allerdings bestehen die Demokraten auf einer Regelung, die es den Dreamers ermöglicht, in den USA zu bleiben. Eine Lösung in dem Streit gibt es noch nicht. Die Differenzen könnten zu einer Haushaltssperre ausgerechnet zum Jahrestag von Donalds Trumps Amtsantritt an diesem Wochenende führen.

Umwelt & Energie

Systematisch revidierte Trump auch in anderen Feldern Entscheidungen Obamas. In der Umweltpolitik lockerte er fast 30 Vorschriften aus der Obama-Ära und propagierte die Ausbeutung fossiler Energieträger; unter Trump wurde die erste neue Kohlegrube in den USA seit vielen Jahren eröffnet. Zudem genehmigte der Präsident zwei umstrittene Öl-Pipelines. Trumps spektakulärstes Signal einer Wende in der Umwelt- und Energiepolitik war seine Ankündigung, die Teilnahme der USA am Klimavertrag von Paris zu beenden.

Deregulierung

Im Rahmen seines Generalangriffs auf die Hinterlassenschaft Obamas setzt der Präsident zudem auf Deregulierung. So wurden Vorschriften für den Verbraucherschutz abgebaut. Der von Trump eingesetzte Leiter der Internetbehörde FCC, Ajit Pai, setzte unterdessen die Abschaffung der sogenannten Netzneutralität durch. Kritiker beklagen, dass Trump das Regelwerk zugunsten von großen Unternehmen ändert und die Rechte der einfachen Bürger aushebelt.

Außenpolitik

In den Außenbeziehungen brach Trump ebenfalls radikal mit Obamas Politik, der die internationale Zusammenarbeit in den Mittelpunkt gerückt hatte. In einem Grundsatzpapier zur nationalen Sicherheit betonte Trump das Prinzip des „America First“, das der – falls nötig unilateralen – Durchsetzung amerikanischer Interessen die Priorität einräumt. Im Gegenzug für das außenpolitische Engagement erwarten die USA ab sofort konkrete Gegenleistungen. Internationale Handelsverträge sollen neu verhandelt werden, die Teilnahme der USA am Transpazifischen Handelspakt (TPP) wurde storniert.

Der Präsident erkannte Jerusalem offiziell als Hauptstadt Israels an und verkündete den Plan, die US-Botschaft in Israel von Tel Aviv nach Jerusalem zu verlegen. Im Nahen Osten will Trump eine neue Allianz gegen den Iran schmieden, den Feind Nummer eins in der Region. Trump stellte den Fortbestand des internationalen Atomabkommens mit Teheran infrage. Mit einem Raketenangriff in Syrien machte Trump deutlich, dass er – anders als Obama – zu einer entschiedenen Intervention in dem Bürgerkriegsland bereit ist.

Justizsystem

Potenziell weitreichende Veränderungen leitete Trump auch in der Justiz ein. Der Präsident nutzt seine Macht zur Richterernennung, um so viele konservative Richter wie möglich auf Posten zu hieven. Beim Verfassungsgericht brachte er Neil Gorsuch unter. Laut einem Bericht der Nachrichtenplattform Axios hat Trump hinter verschlossenen Türen von der Möglichkeit gesprochen, in den kommenden Jahren noch drei weitere der insgesamt neun, zum Teil hochbetagten und kranken Obersten Richter ersetzen zu können. Das würde dem Verfassungsgericht auf Jahrzehnte hinaus eine klar konservative Prägung geben.

Es geht aber nicht nur um das höchste Gericht des Landes, sondern auch um mehr als 800 weitere Bundesrichter-Posten. Unter Obama hatte es der republikanisch beherrschte Senat mit der Bestätigung neuer Richter nicht eilig, unter Trump indessen schon. Die auf Lebenszeit berufenen Juristen prägen den Alltag der Amerikaner in vielen Bereichen auf Jahrzehnte hinaus. Der demokratische Senator Chris Coons sagte, die personellen Veränderungen in den Bundesgerichten seien schon jetzt als „wichtigstes Erbe der Trump-Regierung“ erkennbar.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.01.2018)

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