Siehst du jene Rosen?

Angst: nur zu ertragen durch die mit Sorgfalt gewahrte Abfolge der vorgenommenen Handlungen. Stifter-Skulptur, Linz.
Angst: nur zu ertragen durch die mit Sorgfalt gewahrte Abfolge der vorgenommenen Handlungen. Stifter-Skulptur, Linz.imago/imagebroker
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Es gibt nichts Unscheinbares und Nebensächliches, alles ist bedrohlich. Von der Urangst, die Erde sei hohl: zum 150. Todestag von Adalbert Stifter.

Es ist oft gegen mich bemerkt worden . . . aber es gibt nichts Unscheinbares und Nebensächliches – alles ist bedrohlich und die Angst nur zu ertragen, wenn man die selbst alltäglichen Dingen innewohnendeSpannung durch die mit Sorgfalt gewahrte Abfolge der an ihnen vorgenommenen Handlungen beschwichtigt. ich bin nie ein Dichter der Natur gewesen – um nicht durch einen unbedachten Blick ihr Gleichgewicht zu stören oder gar einen Erdrutsch auszulösen, selbst noch während des Schreibens mit moralischer Anstrengung an Wälder und Berge aus Papiermaché gedacht. die Realität, die pechbeschmierten Füße eines Kindes etwa, mir immer nur der Anlass zu kathartischen Unternehmungen gewesen und in der Harmonie meiner Sätze an die Bannung von Revolutionen geglaubt – habe daher Rufzeichen gemieden und direkte Reden durch die Verankerung in einem „sagte der Knabe“, „antwortete das Mädchen“ der Verflüchtigung entzogen . . . als ein Maler habe ich mich gehütet, die dünne Eisschichteines gefrorenen Teichesmit zu viel Behaglichkeit zu malen, damit den Betrachtern nicht Angst wird um ihre Kinder im nächsten Winter. manchmal habe ich auf aus der Ferne beschriebene Häuser meinFernrohr gerichtet, aber denBlick in bestimmte Fenster gemieden – manche, die meinen Übungen des Sehens und Doch-nicht-Schauens nicht folgen wollten, haben meine Sätze auseinandergezerrt und durch das Fenster der Worte in selbst mir verheimlichte Bereiche geschaut.

das habe ich Ende der 60er-Jahre gemäß meinem Stifterbild als eine Vorrede meiner (nicht bunten) Sammlung „Steine“ vorangestellt (nicht Parodien enthält die, sondern Pastiches, Anlehnungen), und das war die Zeit, da etliche österreichische Autoren wie Handke, Bernhard oder Rosei Stifter wiederentdeckt und in seinem Schatten zu schreiben begonnen haben. er ja ein grandioses Beispiel, wozu wir Österreicher begabt sind (zur psychologischen Novelle), wozu aber kaum (zum Roman). dazu später mehr. zirkahundert Jahre vor uns hatte Friedrich Nietzsche den Geringgeschätzten als einen großenStilisten (und in diesem Sinn als „klassisch“) entdeckt. einen „sanften Unmenschen“ siehtArno Schmidt in Stifter – wohl deshalb, weil es in der deutschen Literatur kein Beispiel gibt für die Verinnerlichung von Autorität bishin ins Humanistische.

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