Tierknochen erzählen Geschichte

„Anfangs musste ich im Museum lernen, die vielen Tierknochen und ihre Fragmente zu bestimmen“, erzählt Konstantina Saliari.
„Anfangs musste ich im Museum lernen, die vielen Tierknochen und ihre Fragmente zu bestimmen“, erzählt Konstantina Saliari.(c) Clemens Fabry
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Die Archäozoologin Konstantina Saliari erkennt an Überresten von Tieren, wie die Menschen in früheren Zeiten gelebt haben. Ihr Lieblingsland der Forschung ist Österreich.

Sie ist ein Mädchen aus Piräus und liebt die Kälte, den Schnee und Tierknochen. Das klingt absurd, trifft aber zu: Konstantina Saliari stammt aus dem Großraum Athen und forscht seit über fünf Jahren in Österreich. Und sie vermisst weder Sonne noch Meer. „Ich finde Österreich so exotisch, ich liebe den Schnee und sogar den Nebel.“ Saliari kam aber nicht wegen des Klimas nach Wien, sondern, weil das Naturhistorische Museum (NHM) eine der weltbesten Sammlungen an Tierknochen bietet.

Bereits während des Archäologiestudiums in Athen wusste Saliari, dass sie einmal interdisziplinär forschen will. „Anfangs musste ich am Museum lernen, die vielen Tierknochen und ihre Fragmente zu bestimmen. Mein Dissertationsprojekt war dann, die Burganlage Sand in Niederösterreich aus archäozoologischer Sicht zu untersuchen“, erklärt sie. Archäozoologie umfasst die Analyse und Interpretation der Überreste von Tieren aus archäologischen Grabungen.

Die Burgruine Sand aus dem zehnten Jahrhundert liegt bei Raabs an der Thaya: Archäologen konnten durch bisherige Funde nicht eindeutig interpretieren, welche Menschen in der Burg gelebt hatten und welches Wirtschaftssystem dort geherrscht hatte. „Archäozoologen bringen einen neuen Blick auf die Ausgrabung, da wir nicht anthropozentrisch denken, sondern über die Tiere erst die Menschen verstehen wollen“, so Saliari. Die von Sabine Felgenhauer-Schmiedt geleiteten Ausgrabungen gestalteten sich schwierig, die Ruine war „dicht mit Bäumen bewachsen, die Bodenbedeckung sehr gering“.

Burgbewohner hatten sehr viel Fleisch

Trotzdem fand das Team des NHM über 10.000 Tierknochenfragmente und konnte diesen fast 30 verschiedene Tierarten zuordnen. „Mehr als 40 Prozent waren Wildtiere, es wurde also viel gejagt, um an Nahrung und Rohmaterialien zu kommen“, sagt Saliari. In manchen Burgräumen fand man Hinweise auf eine Gerberei: Die Felle und Haut der Tiere wurden zu Werkzeug und Kleidung verarbeitet. Überraschung boten die Knochen von Nutztieren: Diese wurden sehr jung geschlachtet. Hauptsächlich fanden sich Rinderknochen, von jungen Ochsen, weiters waren weibliche junge Schweine und Ziegen stark vertreten. „Ungewöhnlich war, dass alle Nutztiere geschlachtet wurden, bevor man sie anders nutzen konnte“, erklärt Saliari. Die Tiere waren also keine Milchlieferanten oder Arbeitstiere, sondern reine Nahrung für die Burgbewohner, die Fleisch im Überfluss hatten. „Archäologisch gab es Hinweise, etwa Teile militärischer Ausrüstung, die zeigten, dass die Burg wahrscheinlich von berittenen Kriegern bewohnt wurde“, so Saliari.

Ihre Erkenntnisse legen nun nahe, dass es sich eigentlich um Räuber handelte. „Sie dürften den umliegenden Bauern die besten jungen Tiere weggenommen haben“, sagt Saliari. Ein für den europäischen Raum einzigartiger Befund: „Diese Ergebnisse waren nur möglich, weil die Vergleichssammlungen im NHM so breit gefächert und gut organisiert sind.“ Saliari forscht auch an weiteren Projekten, teilweise im Sudan, in Ägypten oder Italien, um jeweils anhand tierischer Überreste zu erkennen, welche Lebensweise und Wirtschaftssysteme die Menschen vor Tausenden von Jahren hatten. „Aber mein Lieblingsland für diese Forschung ist Österreich.“

Besonders gute Erfahrungen machte das Team unter Leitung des Archäologen Bendeguz Tobias in Podersdorf am Neusiedler See, wo zahlreiche Tierknochen in einem Gräberfeld der Awarenzeit (7. Jh. n. Chr.) gefunden wurden. „Wir bekamen so viel Unterstützung von der lokalen Bevölkerung“, sagt Saliari. Überraschend: eine typische Grabbeigabe auf dem alten Friedhof war Fleisch. „Bis jetzt wurden vorwiegend Hühnerknochen bei Kindern gefunden wurden. Es ist aber schwierig, die symbolischen Botschaften dahinter zu erklären.“ Erwachsenen wurden eher Rinderteile ins Grab gelegt – stets Körperteile, die gute Fleischqualität versprachen.

Ihre Erkenntnisse vermittelt Saliari gern einer breiten Öffentlichkeit, etwa bei Führungen im Museum, der Langen Nacht der Museen und der Langen Nacht der Forschung: „Es gibt nichts Schöneres, als wenn die Augen der Zuhörer leuchten.“ Ihre eigene Begeisterung gilt neben der Arbeit auch der Literatur, dem Reisen und dem Kulinarischen: „Ich bin Griechin, ich koche sehr gern.“

ZUR PERSON

Konstantina Saliari wurde 1988 in Piräus, Griechenland, geboren. Während des Masterstudiums fokussierte sie auf Muscheln in Jordanien und Israel aus der Steinzeit. Seit der Dissertation an der Uni Wien, finanziert vom Naturhistorischen Museum, ist sie Spezialistin für bioarchäologische Analyse von Tierknochen aus archäologischen Ausgrabungen. Im Dezember 2017 erhielt sie den Carl-von-Schreibers-Forschungspreis.

Alle Beiträge unter:diepresse.com/jungeforschung

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.01.2018)

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