Feierabend im Wechselschritt

BALL DER WIENER PHILHARMONIKER: ERÖFFNUNG
BALL DER WIENER PHILHARMONIKER: ERÖFFNUNGAPA/GEORG HOCHMUTH
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Ein Abend, zwei Bälle: Plácido Domingo dirigierte die Wiener Philharmoniker nervös, zeitgleich tanzten in der Hofburg die Kaffeesieder.

Plácido Domingo, der aufmerksame Gentleman: Just, als er an der Seite von Richard-Strauss-Urenkelin Madeleine Rohla-Strauss die Treppe zum Musikverein erklomm, hatte sich vor ihm das Kleid einer Dame aufzulösen begonnen. Domingo nahm den Faden auf, um das Malheur zu retten. Natürlich wurde trotzdem gescherzt: Was wäre gewesen, hätte sich das Auftrennen des Stoffs weiter fortgesetzt ...? Gut, dass auch die Philharmoniker ihren Gästen mit einer Notfallschneiderei zur Seite stehen.

Abgesehen davon plagte den Startenor die Nervosität. Er sei so aufgeregt wie noch nie, erklärte er, bevor er die Philharmoniker in ihrer Eröffnung dirigierte und das, meinen Beobachter, sei wohl nicht nur schiere Koketterie gewesen. Dabei hatte Domingo die Philharmoniker schon 1984 einmal dirigiert – und 2016 zu dessen 60-Jahr-Jubiläum auch den Opernball. Und doch.

Eine „Hommage an Wien“ sollte der Ball sein, so das Motto; die mehr als 100 Paare des Jungdamen- und Jungherren-Komitees tanzten zum Johann-Schrammel-Marsch „Wien bleibt Wien“ und den Walzer „Weana Madln“ von Carl Michael Ziehrer. Danach wurden wie üblich die Instrumente versenkt, ab da hatten Domingo und die Philharmoniker quasi Feierabend.

Es wurde ein Fest der Künstler, und wie manche meinen, diesmal ein ganz besonders lustiges. Ein vergnügter Rudolf Buchbinder flanierte mit seiner Frau, Agi, durch die engen Gänge, die noch enger sind als jene des Opernballs. Dessen einstige Organisatorin Desirée Treichl-Stürgkh strahlte und führte an ihrer Mischung aus Abend- und Hemdkleid zum ersten Mal das Goldene Ehrenzeichen aus, das ihr die Republik im Juni verliehen hatte. Auch Sänger wie Ferruccio Furlanetto, Ludovic Tézier und Carlos Álvarez waren gekommen, und Künstler Erwin Wurm feierte, dass er einen Autounfall glücklich überstanden hat. Aus der Politik gab es – ganz abgesehen von SP-Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny und Stammgast Rudolf Hundstorfer – wenig neue Gesichter, dafür neue Funktionen. Harald Mahrer, im Vorjahr noch als VP-Staatssekretär da, tanzte heuer als neuer Wirtschaftsbund-Chef. Andreas Schieder begleitete noch 2017 die Gerade-nicht-mehr-Stadträtin Sonja Wehsely; heuer plauderte er als SP-Bürgermeisterkandidat. Rivale Michael Ludwig, verzichtete, hatte sich wenige Stunden zuvor aber im Wiener Ringturm befragen lassen.

Premieren als neue Minister

Wobei, ein paar ganz Neue gab es dann doch: Außenministerin Karin Kneissl hatte tagsüber noch ihren Antrittsbesuch in Sofia absolviert, ehe sie ins blaue Abendkleid wechselte, um wie Kulturminister Gernot Blümel die neue türkis-blaue Regierung zu vertreten – praktischerweise konnte sie die passenden Ohrringe gleich anlassen. Bariton Clemens Unterreiner tanzte gleich überhaupt auf zwei Hochzeiten. Zunächst zog er als Meinl-Ehrenbotschafter um 21 Uhr bei der Eröffnung des Kaffeesiederballs in die Hofburg mit ein, eine Stunde später war er Gast der Philharmoniker-Eröffnung. Wegen des Parlamentsumbaus stehen heuer weniger Balltermine in der Hofburg zur Verfügung; so mussten die Kaffeesieder den Philharmonikern unfreiwillig terminlich Konkurrenz machen.

In der Hofburg hatte sich die übliche bunte Kaffeehausmischung versammelt, angereichert durch eine Prise Wirtschaft, angeführt von Christoph Leitl und Walter Ruck. Weil dem Ball auch weniger Platz als üblich zur Verfügung stand, hatte man als Ausgleich „Strictly Ballroom“ erfunden: Im „Kaffeehaus“ im Parterre spielten eine Jazz-Combo und das Divertimento Viennese durchgehend hochwertige Tanzmusik.

Das Divertimento wiederum war für denselben Abend auch für den Musikverein gebucht, wechselte also ebenso wie Thomas Schäfer-Elmayer hin und her – und auch Unterreiner stand bei den Philharmonikern noch auf der Bühne. Im atmosphärisch dichten Makart-Atelier im verkleideten Gläsernen Saal sang er gemeinsam mit dem Publikum „Wien, Wien, nur du allein“. Daneben stand der Abend auch im Zeichen des 100.Geburtstags Leonard Bernsteins. Dessen Tochter Nina und Neffe Michael waren gekommen; es gab eine Ausstellung und spätnachts das Buch „A Tribute to Leonard Bernstein“ als Lektüre für den Heimweg.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.01.2018)

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