Süßer Eskapismus: „The Marvelous Mrs. Maisel“ ist altmodisch im besten Sinne

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Ein charmantes Vergnügen: Vier Gründe, warum man der Amazon-Serie, die im New York der 50er Jahre spielt, eine Chance geben sollte.

Es beginnt ja mit einem furchtbaren Klischee: Midge wird von ihrem Mann Joel verlassen. Für eine Jüngere. Für eine Sekretärin! Nein, bitte! Das denkt sich auch Midge, für die die Abgedroschenheit der Szene (anfangs) schockierender zu sein scheint als die Tatsache, dass ihr Mann untreu war. Nach dem Geständnis zieht Joel aus. Und nimmt, weil er selber keinen hat, den Koffer von Midge. Auch das noch!

Wie liebevoll hier mit Klischees gespielt wird, auch das ist einer der Faktoren, die „The Marvelous Mrs. Maisel“ zu einer sehenswerten Serie machen. Seit November läuft die Originalversion schon auf Amazon, ab 26. Jänner gibt es ebendort eine deutsche Fassung. Die zweite Staffel soll auch noch heuer kommen.

Im Zentrum steht die jüdische Hausfrau Miriam "Midge" Maisel, die sich nach der Trennung von ihrem Mann, einem erfolglosem Hobby-Komiker, selbst auf den Stand-up-Bühnen der Stadt versucht. Die erste Staffel ist ein überschwängliches, charmantes Vergnügen, wie es im zeitgenössischen Serienmarkt selten geworden ist.

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Vier gute Gründe, warum man ihr eine Chance geben sollte: Sie ist . . .

. . . altmodisch, aber nicht altbacken

„The Marvelous Mrs. Maisel“ ist im besten Sinne altmodisch. Nicht nur auf eine nostalgische, Kostümfilm-glitzernde Art, sondern auch in seiner Figurenzeichnung: So toll es ist, dass in modernen Frauenserien Klischees weggeworfen und weibliche Helden endlich realistisch, in all ihrer Unvollkommenheit, Unvernunft, mit ihren vielen psychologischen Schichten gezeichnet werden, so erfrischend ist es aber auch, hin und wieder eine überzeichnet zuversichtliche Heldin zu beobachten: Die ist schlagfertig, mitreißend, scharfzüngig, bestens organisiert und stets wunderbar witzig.

Mit einer sehr direkten, pragmatischen Attitüde bestreitet Midge ihren Aufstieg als Komikerin und schaukelt nebenbei Mutterschaft, Job, eine wahnwitzige Familie und die Zumutungen der Zeit mit gewinnendem Lächeln. Kleine Zweifel überwindet sie – zumindest in Staffel eins – in Windeseile, eine Entwicklung macht sie trotzdem. Und all das inmitten von detailreichem, zauberhaftem 50er-Jahre-New-York-Flair. Das ist Eskapismus in seiner süßesten Form – na und?

. . . trotzdem feministisch

Vor allem, da der viele Zuckerguss den eigentlichen Kuchen nie verdeckt: Im Kern wird hier nämlich eine Emanzipationsgeschichte erzählt. Von einer Frau, die ihre Welt erweitert: die ihr sorgloses Refugium in der Upper West Side verlässt und dreckigere Seiten des Lebens kennen lernt, die ihr Hausfrauendasein gegen den ermächtigenden Thrill der Erwerbsarbeit eintauscht, die erstmals bewusst auf strukturelle Benachteiligung stößt und sich dagegen stemmt, die auch politisch erweckt wird. Und vor allem: die sich, von keinem, blöd dreinreden lässt. Klar, es handelt sich um eine – für die Zeit, in der sie lebt – immer noch privilegierte Frau, die wahres Elend nicht zu fürchten braucht und die ihre Kinder bequem an das Familiendienstmädchen abgeben kann. Dennoch: Wie sie ihr Schicksal in die Hand nimmt und jede Schwierigkeit als Gelegenheit für eine positive Veränderung wahrnimmt, beeindruckt. Inspiriert wurde die Figur übrigens von wirklichen Komikerinnen der 1950er (etwa Joan Rivers und Phyllis Diller).

. . . toll besetzt, bis in die Nebenfiguren

Rachel Brosnahan spielt diese Wunderfrau großartig, und sie ist nicht die einzige gute Wahl in diesem beschwingt-schrulligen Cast. Alex Borstein gibt Susie, eine burschikose Barbesitzerin und Managerin von Midge; Michael Zegen ist ein herrlich tollpatschiger, milchgesichtiger Ehebrecher Joel. Am allerbesten aber ist Tony Shalhoub ("Monk"!) als nerdiger Vater mit viel Liebe und noch mehr Macken.

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… wunderbar witzig in den Dialogen

Wem bei der Beschreibung dieser funkelnden, schrulligen Welt etwas bekannt vorkam, den täuscht die Ahnung nicht: Hinter „The Marvelous Mrs. Maisel“ steckt die Autorin und Regisseurin Amy Sherman-Palladino, die Macherin der „Gilmore Girls“. Da wir dort sind die Dialoge rasant und pointenreich. Apropos Pointen: In den Stand-up-Auftritten von Midge liegt die Schwäche der Serie; ob Midges Gags nun lustig gewesen sein sollen oder nicht, muss man von den Reaktionen des Publikums ablesen, wirkliche Lachsalven evozieren ihre Performances beim Seriengenuss nicht. Ob sich das Comedy-Publikum der 50er dabei die Bäuche gehalten hätte? Sei's drum, unterhaltsam ist die Serie trotzdem!

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