Volkskrankheiten

Von Cholera bis Krebs: Volkskrankheiten im Wandel

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Symbolbild(c) FABRY Clemens
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von Hannah Richlik

38.000 Menschen erkranken jedes Jahr in Österreich an Krebs.

Noch nie waren die Österreicher so gesund wie heute. Dennoch: Wenig Sport, schlechte Ernährung, erhöhter Alkohol- und Zigarettenkonsum lassen die Bevölkerung erkranken. Volkskrankheiten sind ein Spiegel der Gesellschaft. Waren es vor 150 Jahren noch Cholera und Tuberkulose, die aufgrund der schlechten medizinischen Versorgung und fehlender Impfstoffe die Haupttodesursache in Österreich darstellten, sind es heute Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs.

„Volkskrankheiten bzw. Zivilisationskrankheiten sind entweder danach zu beurteilen, ob sie zum Tod führen oder ob sie chronischer Natur sind, wie etwa Rückenschmerzen oder Allergien“, erklärt Michael Kunze, Universitätsprofessor an der Medizinischen Universität Wien. Derzeit zählen Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs und Diabetes in Österreich zu den häufigsten Todesursachen in der österreichischen Bevölkerung. Gründe für die Entstehung dieser Krankheiten sind sowohl ungesunde Ernährung, wenig Bewegung, Stress als auch ein erhöhter Alkoholkonsum und Rauchen.

Herz-Kreislauf-Erkrankungen:

Bluthochdruck, Schlaganfälle und Herzinfarkte - die häufigste Todesursache im Jahr 2016 machten Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Österreich aus. Rund 33.200 Personen starben 2016 infolge von Herz-Kreislauferkrankungen. Männer sterben dabei in früherem Alter an Herz-Kreislauf-Erkrankungen als Frauen. Dennoch ist die Anzahl der Sterbenden an Herz-Kreislauf-Erkrankungen sinkend: Im Jahr 1970 starben laut Statistik Austria rund 46.700 Menschen in ganz Österreich aufgrund dieser Erkrankungen.

Krebs:

Die zweit häufigste Todesursache in Österreich ist Krebs: Jährlich erkranken rund 38.000 Menschen an einer Form. Laut dem Bundesministerium für Gesundheit und Frauen (BMGF) sterben rund 51 Prozent der österreichischen Bevölkerung aufgrund von Krebs, bevor sie das 70. Lebensjahr erreichen. Die häufigsten Krebsarten bei Frauen im Vorjahr waren Brust- und Lungenkrebs, die bei Männern Lungen- und Prostatakrebs. Sieht man sich die Krebsprävalenz an, also die Anzahl der Personen, die an Krebs erkrankten und zu einem späteren Zeitpunkt am Leben sind, sieht man, dass diese seit 2000 steigend ist. Laut der Statistik Austria fielen im Jahr 2000 rund 200.000 Personen in die Krebsprävalenz, 2016 waren es schon mehr als 300.000 Personen.

Auch die Krebsinzidenz bei Lungenkrebs, also die Anzahl der Neuerkrankungen, ist steigend: Waren es 1983 rund 3560 Personen, die an Lungenkrebs erkrankten, waren es 2014 bereits mehr als 4700 Personen. Bei Frauen lag die Anzahl derer, die an Lungenkrebs starben, erstmals vor Brustkrebs als Todesursache: Das Krebssterberisiko lag bei 32,9 Prozent auf 100.000 Frauen.

Diabetes:

Zu viel Zucker, schlechte und unausgewogene Ernährung, wenig Bewegung – die Gründe für Diabetes sind vielen Menschen bekannt, dennoch sterben im Jahr rund 10.000 Menschen an den Folgen von Diabetes. Rund 600.000 Menschen leiden derzeit in Österreich an Diabetes, die Zahl der Neuerkrankungen ist steigend. Bereits 41 Prozent der untersuchten Erwachsenen in Österreich, fast jeder zweite, sind laut der Cosi-Studie (Childhood Obesity Surveillance Initiative) der WHO Europa übergewichtig bzw. adipös.

Der Westen Österreichs lebt gesünder

Betrachtet man die Gesundheit der österreichischen Bevölkerung von Westen nach Osten, zeigt sich, dass Österreichs Bevölkerung im Westen gesünder ist als im Osten, erklärt Kunze. Das liege etwa daran, dass die Bevölkerung im Westen Österreichs öfter in die Natur oder wandern gehen würde als im Osten. Regionale Vergleiche bei Herz-Kreislauferkrankungen verdeutlichen ein Ost-West-Gefälle: Am höchsten war die Herz-Kreislauf-Sterblichkeit in den Bundesländern Wien und Burgenland, am geringsten in Vorarlberg und Tirol.

Auch beim Thema Übergewicht lässt sich ein starkes Ost-West-Gefälle beobachten: Laut einer aktuellen Cosi-Studie ist bereits bei acht- bis neunjährigen Schulkindern eine Prävalenz zu Übergewicht gegeben. Während österreichweit etwa 30 Prozent der achtjährigen Buben als übergewichtig oder adipös eingestuft wurden, gibt es bei den gleichaltrigen Mädchen deutliche regionale Unterschiede: circa 29 Prozent im Osten und etwa 21 Prozent im Westen/Süden sind übergewichtig.

Auch Geschlechterunterschiede lassen sich bei den Volkskrankheiten erkennen. Die Leiterin der Gender Medicine Unit der MedUni Wien, Alexandra Kautzky-Willer, berichtet, dass sowohl biologische Unterschiede (genetische Prädisposition, Ethnizität, Sexualhormone, Fettverteilung, begleitende Entzündungsprozesse und Spätkomplikationen) als auch psychische, soziale und kulturelle geschlechts-spezifische Einflussfaktoren wesentlich zur Krankheitsentstehung, Symptomwahrnehmung, Diagnose und Therapie chronischer Erkrankungen beitragen können. Diese Einflussfaktoren reichen von der Wirkung unterschiedlicher Sexualhormone über Unterschiede im Lebensstil, Geschlechterrollen und das unterschiedliche Sozialverhalten. Frauen leiden laut Gesundheitsministerium häufiger an Arthrose, Männer häufiger an Schlaganfällen und Herzinfarkten.

"Je höher die Bildung, desto mehr Bewusstsein"

Neben Zivilisationskrankheiten, die zum Tod führen, leidet Österreichs Bevölkerung auch unter den chronischen Erkrankungen. Zu den häufigsten zählen Rückenschmerzen mit rund 1,76 Millionen erkrankten Menschen und Allergien mit rund 1,75 Millionen erkrankten Menschen. Seit 2006/2007 ist der Anteil von Allergien laut Auskunft des Gesundheitsministeriums betroffener Österreicher deutlich gestiegen (um acht Prozentpunkte). Ein besonders deutlicher Anstieg ist bei der 15- bis 59-jährigen Bevölkerung zu erkennen: Sie leidet häufiger an Allergien (25 bis 29 Prozent) als die Bevölkerung ab 60 Jahren (18 Prozent).

„Je höher die Bildung ist, desto mehr ist das Bewusstsein und das Wissen über Krankheiten da“, sagt Kunze. Menschen mit geringer Bildung, geringerem Einkommen sowie Menschen mit Migrationshintergrund sind etwa deutlich häufiger von Übergewicht und Adipositas betroffen als Menschen mit höherer Bildung.

Um dem entgegenzuwirken und die gesamte Bevölkerung über die Zivilisationskrankheiten aufzuklären, bedarf es der gesamten Bandbreite über die Lebensmittelkette hinweg bis zum Politikbereich. Bei der Ernährungsumstellung, Rauchen und Alkoholkonsum ist jedoch jede Österreicherin und jeder Österreicher selbst gefragt.

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