Am Mittwoch wäre Gottfried von Einem 100 Jahre alt geworden. Zum Gedenken spielen Staatsoper und Theater an der Wien zwei seiner Opern – doch liegt insgesamt ein Erbe brach, dessen Früchte noch geerntet werden könnten.
„Ausgerechnet mit Ihnen?“, kam es wie aus der Pistole geschossen; der Kritiker, der zuletzt das eine oder andere Werk des Meisters nicht ganz gelungen fand, hatte um ein Interview gebeten. Ja, ausgerechnet, gab ich zurück: Mit einem anderen wäre es doch nicht so spannend! „Da haben Sie auch wieder recht.“ Ein Dialog mit Gottfried von Einem, dem vermutlich nichts langweiliger gewesen wäre als ein Gespräch mit einem notorischen Lobredner – das Interview wurde freilich zum Pointenfeuerwerk, denn dieser „Componist“, wie er seine Profession zeitlebens nannte, war eine der schillerndsten Persönlichkeiten des österreichischen Musiklebens nach 1945.
Er kannte alle, mischte mit, versuchte die Kulturpolitik im Lande mitzubestimmen – nicht immer, aber oft mit Erfolg: Keinem standen über Jahre so prominente Uraufführungsinterpreten zur Verfügung wie ihm.
Doch war er eine Künstlerfigur, deren eminenten Rang erst erkennt, wer die Entwicklung der internationalen Komponierszene seit seinem Tod Revue passieren lässt. Was zwei Jahrzehnte nach Gottfried von Einem proklamiert wurde, ein „neuer Mut“ zur Traditionsverbunden, eine „neue Einfachheit“, die Einbindung von Dur und Moll in eine zeitgemäße Tonsprache – das war für ihn, den perfekten Handwerker, nie „neu“, es war ganz selbstverständlich gewesen.