SPD-Politiker drängen ihren Parteichef, auf ein Ministeramt zu verzichten. Alles andere würde dessen „Glaubwürdigkeit erschüttern“.
Berlin. Der ohnehin geschwächte SPD-Chef, Martin Schulz, wird von einem alten Versprechen eingeholt. Nach der Bundestagswahl hatte Schulz nicht nur eine Große Koalition (GroKo) ausgeschlossen, sondern auch ein Ministeramt für sich selbst. „Ja, ganz klar: In eine Regierung von Angela Merkel werde ich nicht eintreten“, sagte er damals wörtlich. Nach dem Scheitern der Jamaika-Verhandlungen wiederholte Schulz den Satz nicht mehr. Fragen dazu wich er aus.
Thüringens designierter SPD-Landeschef, Wolfgang Tiefensee, forderte Schulz nun auf, eine neuerliche Verzichtserklärung auf ein Ministeramt abzugeben. „Eine 180-Grad-Wende in dieser Frage würde die Glaubwürdigkeit von Martin Schulz erschüttern“, sagte Tiefensee zur Zeitung „Die Welt“. Zwar eilte SPD-Vize Ralf Stegner seinem Chef zu Hilfe: „Ich halte überhaupt nichts von öffentlichen Vorschlägen an den Parteivorsitzenden“, sagte Stegner. Intern sollen jedoch auch andere prominente Genossen Schulz geraten haben, nicht in die Regierung einzutreten und dies auch rasch öffentlich kundzutun. Doch sie blitzten damit vorerst ab, wie aus dem Umfeld der SPD zu hören ist.
Schon vor dem Sonderparteitag hatte es Spekulationen gegeben, Schulz könnte dort seinen Verzicht auf ein Ministeramt erklären, um Unentschlossene zu einem Ja zu GroKo-Verhandlungen zu bewegen und den Vorwurf zu entkräften, es ginge ihm nur um ein (Minister-)Amt und nicht um die Sache. Genossen wie Tiefensee sind zudem sicher, dass die versprochene „Erneuerung“ der SPD nur funktionieren kann, wenn der Parteichef nicht zeitgleich am Kabinettstisch mit Angela Merkel sitzt. Doch Schulz verzichtete auf eine Verzichtserklärung. Der SPD-Vorsitzende schielt vermutlich auf das Amt des Außenministers: Erstens ist Europa sein Leibthema. Zweitens hat Schulz beobachtet, wie Sigmar Gabriel als Chef des Auswärtigen Amts zum populärsten Politiker der Republik aufstieg.
Die Union drängt unterdessen zur Eile bei den Koalitionsverhandlungen. Noch vor Rosenmontag (12. Februar) sollen sie abgeschlossen sein, wie Merkel gestern erneut beim Empfang von Karnevalisten im Kanzleramt durchblicken ließ. Dem Koalitionsvertrag müssen danach die SPD-Mitglieder zustimmen.
In der SPD trägt sich in diesen Tagen Seltsames zu. Die Zahl der Neumitglieder steigt sprunghaft an. Für Schulz ist das nicht zwingend eine gute Nachricht. Denn die Jusos haben GroKo-Gegner zum Eintritt in die SPD aufgerufen. Sie sollen beim Mitgliedervotum das „Nein“-Lager stärken. (strei)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.01.2018)