Der finanzielle Crash von Air Berlin und ihrer Tochter „Niki“ löste ein heftiges juristisches Tauziehen aus.
Wien. Möglicherweise haben nur Piloten und Formel-1-Fahrer so harte Nerven, um auch in einer 15 Stunden dauernden Marathonverhandlung, in der jedes Detail dreimal umgedreht wird, cool zu bleiben. Am Dienstag um 4.30 Uhr in der Früh war jedenfalls die Sensation perfekt: Nicht die spanisch-britische IAG-Holding, die unter ihrem Dach British Airways, Air Lingus, Iberia, Vueling und Level vereint, hat den Zuschlag für die insolvente Air-Berlin-Tochter „Niki“ erhalten. Vielmehr hatte der dreifache Formel-1-Weltmeister und zweifache Airline-Gründer Niki Lauda, der mit dem Reisekonzern Thomas Cook und dessen Ferienflug-Tochter Condor angetreten war, die besten Karten und bremste die IAG und die irische Billig-Airline Ryanair aus.
Nichts an diesem Insolvenzverfahren war „business as usual“ – und so lief auch der Verkauf nicht nach den üblichen Usancen ab. Denn: Wann wird schon eine Airline, noch dazu eine insolvente, fast dreimal verkauft?
Aber alles der Reihe nach: Nach jahrelangen Verlusten ließ der arabische Großaktionär Etihad die zweitgrößte deutsche Fluglinie Air Berlin im vorigen Sommer fallen. Die Pleite erschütterte niemanden in der Luftfahrtszene, umso mehr aber hunderttausende Passagiere, die ihre Tickets in den Wind schreiben mussten. Der deutsche Staat sprang mit 150 Millionen Euro ein, um den Flugbetrieb zumindest solange aufrecht zu halten, bis alle Reisenden wieder zuhause waren – und die Kaufangebote auf dem Tisch lagen. Geld, das – wie sich nun herausstellt – ebenfalls weitgehend verloren ist.
Als aussichtsreichster Käufer galt von Anfang an die Lufthansa. Hartnäckig hielten sich Spekulationen, dass die AUA-Mutter schon Monate zuvor eine Übernahme der Air Berlin und deren Tochter „Niki“ geplant und vorbereitet habe. Dass der Ex-Lufthansa-Manager Thomas Winkelmann noch im Frühjahr Air-Berlin-Chef wurde, stärkte diesen Eindruck.

Aber Lufthansa-Boss Carsten Spohr machte die Rechnung ohne die EU. Die Kartellhüter in Brüssel zertrümmerten die Pläne der Kranich-Airline und signalisierten unmissverständlich, Spohr könne zwar Teile der Air Berlin haben, aber nicht Niki dazu. Daraufhin zog die Lufthansa das Offert für Niki zurück – und die bisherige Perle der Air Berlin, die stets Gewinne schrieb (die sie an die marode Mutter abliefern musste) schlitterte ebenfalls in die Pleite.
Womit ein Kapitel Insolvenzgeschehen der besonderen Art folgte: Lucas Flöther, schon Insolvenzverwalter bei Air Berlin, wurde auch vorläufiger Insolvenzverwalter bei „Niki“, nachdem das Verfahren in Berlin angemeldet wurde. Was etlichen Juristen aufstieß, war doch die „Niki Luftfahrt GmbH“ in Österreich registriert und hatte ihren Sitz am Flughafen.
Es sollte auch nicht lange dauern, da ging ein unglaubliches juristisches Hick-Hack los. Kaum hatte Flöther „Niki“ im Eilverfahren an die spanisch-britische IAG-Holding verkauft, brachte das Passagierrechteportal Fairplane eine Klage in Berlin gegen das deutsche Verfahren und einen Konkursantrag in Korneuburg ein. Das Amtsgericht Charlottenburg wies die Klage ab und das Landgericht Berlin als erste Instanz erklärte Österreich für zuständig. Daraufhin musste Flöther, der sich naturgemäß für Berlin stark gemacht hatte, in Korneuburg ein Sekundärverfahren beantragen.
Und die Niederösterreicher sorgten für den Knalleffekt: Sie urteilten, das Hauptverfahren müsse in Korneuburg laufen. Flöther musste zähneknirschend die Kooperation anbieten und die zur Masseverwalterin bestellte renommierte Anwältin Ulla Reisch fackelte nicht lange: Sie setzte den Verkaufsprozess neu auf. Die IAG, Lauda und auch die Ryanair traten an – und Lauda machte gestern früh das Rennen.
Der Insolvenzkrimi ist damit noch nicht ganz zu Ende: Flöther hat im Namen von „Niki“ gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin, wonach die Insolvenz von Niki in Österreich abgewickelt werden müsse, Beschwerde beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe eingelegt. Er hat es in der Hand, weitere Turbulenzen zu vermeiden: Er muss die Beschwerde nur zurückziehen. (eid)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.01.2018)