Besuch in Österreich: Orbán will Kurz auf seine EU-Linie bringen

Beim Wien-Besuch 2015 stellte sich Orbán den Journalisten. Dieses Mal sind Medien unerwünscht.
Beim Wien-Besuch 2015 stellte sich Orbán den Journalisten. Dieses Mal sind Medien unerwünscht. (c) APA/EPA/GEORG HOCHMUTH
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Ungarns Regierungschef Orbán reist kommenden Dienstag nach Wien. Dort trifft er Bundeskanzler Kurz, um über Migration und die Zukunft der EU zu reden. Auch Gespräche mit FPÖ-Vizekanzler Strache sind geplant.

Budapest. In ungarischen Regierungskreisen feierten manche den Wahlsieg von Sebastian Kurz zunächst, als habe man selbst die österreichischen Wahlen gewonnen. Immerhin hatte Kurz sich oft und öffentlich positiv über Ungarns Ministerpräsidenten Viktor Orbán und dessen Politik geäußert. Andere Quellen im Umkreis der Regierung warnten jedoch gleich von Anfang an, man wisse nicht, wie weit man dem neuen Kanzler in Wien trauen könne. Er sei „noch sehr jung“.

Wer geglaubt hatte, Kurz werde sich entschieden auf die Seite der Visegrád-Staaten schlagen (Polen, Ungarn, Tschechien, Slowakei) und so deren Gewicht in der EU stärken, der geriet rasch ins Grübeln. Seine ersten Auslandsreisen führten den frischgebackenen Kanzler nach Paris, Brüssel und Berlin. Nun erst wendet er sich dem Osten der EU zu. Aber ganz anders: Er geht nicht hin, sondern Orbán kommt am kommenden Dienstag nach Wien. Das hatte die „Presse“ bereits im Vorfeld berichtet. Nun wurde der Termin auch offiziell bestätigt.

Kein Treffen mit den Medien

Es sei ein „Arbeitsbesuch“, sagte Ungarns Regierungssprecher Zoltán Kovács nun zur „Presse“. Eine andere Quelle aus Orbáns Umfeld meinte: „Der Begriff Arbeitsbesuch ist fast zu hoch gegriffen“. Es sei „ein informelles Treffen“. Entsprechend wird es auch keine Pressekonferenz geben. Überhaupt seien Kurz und Orbán „keine Verbündeten“, sagt man in Budapest. Sondern Regierungschefs mit jeweils eigenen Interessen, die aber in vielen Bereichen kompatibel seien. Und mit einer pragmatisch-bürgerlichen Weltsicht, die auch kompatibel sei. Man habe „Respekt“ für einander.

Einer österreichischen Quelle zufolge hatte Orbán versucht, Kurz zu einer Reise nach Budapest zu bewegen, dieser habe das aber abgelehnt. Die ungarische Seite sieht das etwas anders. Der Termin für einen offiziellen Antrittsbesuch in Budapest habe demnach schon festgestanden, für „Ende Februar“. Das sei dann aber geändert worden, weil es Orbán wichtig sei, noch vor dem EU-Ratstreffen am 23. Februar mit Kurz zu sprechen. Daher habe man sich auf den früheren, inoffiziellen Besuch in Wien geeinigt. Dabei wird es „kaum um bilaterale Fragen“ gehen, sondern vor allem „um die Europapolitik“, hieß es aus dem Ministerpräsidentenamt.

Kurz werde danach zu einem offiziellen Antrittsbesuch nach Budapest kommen. Der Termin stehe noch nicht fest, angedacht sei aber „Ende Februar, Anfang März“. Aus Wien gab es aber keine Bestätigung für einen Besuch von Kurz in Budapest.

Inhaltlich hat Kurz den Visegrád-Staaten vor allem in der Flüchtlingspolitik den Rücken gestärkt, indem er sich gegen Quoten in der EU aussprach und für eine Stärkung des europäischen Grenzschutzes.

Die ungarische Seite will aber nun, da man in Wien auf eine ähnliche Sicht der Dinge hofft, künftig sehr viel proaktiver auf der europäischen Bühne agieren. Man wolle „nicht immer nur gegen etwas sein“ sondern „eigene gemeinsame Initiativen vorlegen“, heißt es in Budapest. Natürlich in Absprache der „Visegrád-Staaten und anderer Länder der Region“ mit Österreich. Grenzschutz etwa: Man sei sich einig darüber, dass das der Schwerpunkt der europäischen Migrationspolitik sein müsse, „aber wie das genau aussehen soll“, darüber müsse man reden. Eine längerfristige Baustelle sei eine „Änderung des Abstimmungsverfahrens gemäß des Vertrags von Lissabon“, also eine Änderung des Vertrages. Denn derzeit sei es so, dass „wenn Deutschland und Frankreich sich in etwas einig sind und die Beneluxstaaten dazu holen, dann haben sie schon gewonnen“. Ungarn geht es dabei auch „um die Drohung, nach Juni im Rat der EU-Innenminister erneut mit qualifizierter Mehrheit über Flüchtlingsquoten abzustimmen“. Das wolle man grundsätzlich vermeiden.

Treffen Schüssel und Schönborn

Orbán will auch über das Artikel-7-Verfahren der EU-Kommission gegen Polen reden, wo die Kommission den Rechtsstaat in Gefahr sieht. Kurz hat in der Frage Brüssel unterstützt. Orbán, der Polen schützen möchte, wolle das Thema aber noch einmal mit Kurz ansprechen. Andere Themen: „Transnationale Listen“ für die nächsten EU-Parlamentswahlen (man ist dagegen), ein gemeinsamer EU-Finanzminister (man ist dagegen), eigene EU-Steuern (man ist dagegen).

Für 13 Uhr ist ein gemeinsames Mittagessen geplant. Orbán wird in Wien außerdem auch FPÖ-Chef Strache treffen, bestätigten sowohl FPÖ-Sprecher Martin Glier als auch Budapester Quellen. Dort hieß es, Orbán pflege „schon seit Jahren“ informelle Kontakte mit der FPÖ. Ferner sind Treffen mit Ex-Kanzler Wolfgang Schüssel und Erzbischof Christoph Schönborn geplant. Bei Bundespräsident Alexander Van der Bellen ist kein Termin vorgesehen. Am 1. März soll dann die österreichische Außenministerin Karin Kneissl nach Budapest reisen.

AUF EINEN BLICK

Orbán-Besuch in Wien. Am kommenden Dienstag, den 30. Jänner, reist der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán zu einem Arbeitsbesuch nach Wien. Er kommt zu Beratungen mit Bundeskanzler Sebastian Kurz. Im Zentrum der Gespräche wird vor allem die Europapolitik stehen. Orbán möchte Kurz hier auf seine EU-Linie ziehen. Für 13 Uhr ist ein gemeinsames Mittagessen geplant. Orbán wird in Wien außerdem auch FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache treffen. Ferner sind Treffen mit Ex-Kanzler Wolfgang Schüssel und Erzbischof Christoph Schönborn geplant. Bei Bundespräsident Alexander Van der Bellen ist kein Termin vorgesehen. Am 1. März soll dann die österreichische Außenministerin Karin Kneissl nach Budapest reisen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.01.2018)

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