Deutschland. Außenminister Gabriel rudert zurück: Wegen des Einmarschs türkischer Truppen in Nordsyrien wird es keine Aufrüstung türkischer Leopard-Panzer geben.
Berlin/Ankara. Der wegen eines möglichen deutschen Waffengeschäfts mit der Türkei unter Druck geratene SPD-Außenminister Sigmar Gabriel zieht die Notbremse - und sich selbst aus der Affäre. Die Prüfung einer Nachrüstung türkischer Leopard-2-Panzer wird nun doch auf Eis gelegt, die Bundesregierung, nur geschäftsführend im Amt, soll über das brisante Begehr Ankaras nicht mehr entscheiden. Das haben Gabriel und Kanzlerin Angela Merkel vereinbart. Mit der „Beratung von kritischen Vorhaben“ soll nun „bis zur Neubildung einer Regierung“ gewartet werden, sagte Gabriel dem „Spiegel“.
Die Türkei muss sich also zumindest gedulden. Erst heute, Freitag, beginnen die Verhandlungen über eine Neuauflage der schwarz-roten Koalition. Mit einer neuen Regierung wird frühestens kurz vor Ostern gerechnet.
Gabriel war zuletzt gehörig in Bedrängnis geraten. Wie berichtet, hatte der Außenminister seinem türkischen Amtskollegen Mesut Cavusoğlu Anfang Jänner die Prüfung einer Nachrüstung der Leopard-2-Panzer versprochen und ein positives Ergebnis in Aussicht gestellt. Von Anfang an vermuteten Kritiker, es könnte sich dabei um ein Tauschgeschäft handeln. Zugespitzt: Rüstung gegen Gefangene. Denn Berlin kämpft um die Freilassung von inhaftierten Deutsch-Türken, etwa des Journalisten Deniz Yücel.
Deutsche Entspannungssignale
Dann begann die Türkei eine Bodenoffensive gegen die kurdische YPG in Nordsyrien. Während gestern in der Wiener Uno-City die neunte Syrien-Gesprächsrunde begann, wo Delegationen der syrischen Regierung und Opposition wieder einmal verhandeln, tobte Zuhause ein neuer Krieg im Krieg. Und dabei setzt die Türkei auch Leopard-2-Panzer ein.
Also rudert Gabriel zurück. Es sei klar, „dass wir nicht in Spannungsgebiete liefern dürfen und dies auch nicht tun werden“, erklärte der Außenminister.
Deutschland bemüht sich aber weiter auf vielen Kanälen um eine Entspannung der Beziehungen zu Ankara. Auch Gerhard Schröder soll weiter eingebunden sein. Der Altkanzler pflegt beste Kontakte zu Recep Tayyip Erdoğan und hatte schon bei der Freilassung des deutschen Aktivisten Peter Steudtner eine Rolle gespielt.
Zu den Entspannungssignalen zählt auch, dass deutschlandweit nun nach dem mutmaßlichen türkischen Putschisten Adil Öksuz gesucht wird. Das berichtet die „Süddeutsche Zeitung“. Zudem habe Berlin darauf verzichtet, die Türkei als einen Staat einzustufen, in dem Geheimnisträger „mit besonderen Sicherheitsrisiken“ zu rechnen hätten. Dritten sei die Polizei während einer Kurden-Demonstration in Köln angehalten worden, Bilder von Abdullah Öcalan, dem Anführer der verbotenen PKK, zu ahnden. Hintergrund: Erdŏgan moniert stets, dass die deutschen Behörden bei der PKK wegsehen.
(red.)