Deutschland: Die letzte Chance der Großparteien

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In zehn Tagen sollen die deutschen Koalitionsverhandlungen abgeschlossen sein. Kanzlerin Merkel deutet an, dass sie den SPD-Forderungen nicht nachkommen wird. Auch die Deutschen haben kein Vertrauen in die Sozialdemokraten.

Flüchtlinge, Gesundheit, Arbeitsmarktpolitik: Das sind die Knackpunkte der Koalitionsverhandlungen zwischen CDU, CSU und SPD, die am Freitag vier Monate nach der deutschen Bundestagswahl gestartet sind. Das Ergebnis ist entscheidend für die Zukunft der Parteichefs: Für CDU-Kanzlerin Angela Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer ist es die zweite und möglicherweise letzte Chance, die von ihr gewünschte stabile Regierung zu bilden.

Nach dem miserablen Ergebnis aller Volksparteien bei der Wahl vor vier Monaten steht aber auch SPD-Chef Horst Seehofer unter hohem Erfolgsdruck. Ende November waren in einem ersten Versuch der Regierungsbildung Gespräche der CDU/CSU mit Liberalen und Grünen gescheitert.

Dennoch stehen harte Verhandlungen bevor. Zum Auftakt der Gespräche deutete Merkel an, dass ihre Partei den Sozialdemokraten nicht allzu viel entgegen kommen werde. Sie gehe "optimistisch, aber auch sehr bestimmt in die Gespräche", sagte Merkel. "Ich glaube, mit den Sondierungsgesprächen haben wir einen sehr guten Rahmen für das, was jetzt in den Koalitionsgesprächen noch zu leisten ist", meinte die Kanzlerin.

Merkel: "Geht um Aufbruch für Deutschland"

Auch die Mehrheit der Deutschen ist skeptisch, dass den Sozialdemokraten Nachbesserungen bei ihren zentralen Themen gelingen. Auf ihrem Parteitag hatte die SPD Nachbesserungen des Sondierungspapiers verlangt. Zwei Drittel der Bürger erwarteten nur wenige in Arbeitsmarkt-, Gesundheits- und Flüchtlingspolitik gegenüber dem Sondierungskompromiss, ergab der am Donnerstag veröffentlichten DeutschlandTrend der ARD.

Merkel gab stattdessen am Freitag andere Themen vor: Weil sich der Rest der Welt schnell voran bewege, müsse man sich noch intensiver um technologische Themen kümmern. Sie forderte eine stärkere Konzentration der Gespräche auf "Zukunftsimpulse". "Es geht um eine neue Dynamik für Deutschland. Es geht nicht nur um einen Aufbruch für Europa, sondern auch um einen Aufbruch für Deutschland", sagte Merkel. Dies betreffe etwa die Digitalisierung, Bildung, aber auch schnellere Planungsverfahren.

Nach dem bisherigen Verhandlungsdebakel wollen die Parteien jetzt die Geschwindigkeit erhöhen. Innerhalb von zehn Tagen, bis 4. Februar, sollen die Verhandlungen abgeschlossen sein. Die Schlussrunde ist damit von Freitag bis Sonntag kommender Woche geplant. 

Zuletzt hängt alles von SPD ab

SPD-Chef Martin Schulz kündigte an, die Linie der SPD sei es, mit einer neuen Regierung Deutschland "nach innen gerechter und moderner" zu machen und das Land wieder zu einer führende Kraft in der EU zu machen. Angesichts der Herausforderungen durch China und den USA benötige die EU ein starkes proeuropäisches Deutschland: "Das wird es nur geben mit einer sozialdemokratischen Beteiligung in der Bundesregierung."

Zu Beginn der Gespräche dürfte Merkel zunächst mit SPD-Chef Martin Schulz und dem CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer über den Ablauf und die Struktur der anstehenden Gespräche sprechen. Danach sollte eine Runde von 15 Spitzenvertretern der drei geplanten Koalitionsparteien zusammenkommen, auch Arbeitsgruppen zu Fachbereichen könnten danach ihre Arbeit aufnehmen. Zuletzt aber hängt alles wieder von der SPD-Basis ab: Die mehr als 440.000 Parteimitglieder sollen über den Koalitionsvertrag abstimmen. Dieser Prozess dauert nochmals drei Wochen. 

(APA/Reuters/AFP/dpa/red.)

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