EU-Parlament kappt Bankdatenleitung in die USA

(c) AP (Martin Meissner)
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Nur eine Woche dürfte das umstrittene Swift-Abkommen ab 1. Februar gelten. Dann hebt es das Europaparlament vermutlich auf – und liefert damit eine erste Probe seines neuen Selbstbewusstseins.

BRÜSSEL. Die Symbolik stach ins Auge: Just am Donnerstag, dem Europäischen Datenschutztag, erklärten Werner Langen und Markus Ferber, zwei führende Abgeordneten der Europäischen Volkspartei (EVP), dass auch ihre Fraktion am 10. Februar gegen das umstrittene Swift-Abkommen über die Weitergabe von Banküberweisungsdaten an die USA stimmen würden. Damit dürfte es etwas mehr als eine Woche nach seinem Inkrafttreten am 1. Februar wieder außer Kraft treten.

„Wir werden das Swift-Abkommen mit breiter Mehrheit auch in der EVP-Fraktion ablehnen“, sagte Langen bei einer Pressekonferenz in Brüssel. Das EU-Parlament lasse sich „nicht einfach abdrängen“. Es würde in Rechte der Bürger und Bankkunden eingreifen, und „das kann nicht ohne parlamentarische Beratung stattfinden“. Sein Fraktionskollege Ferber assistierte, dass „wir das Abkommen inhaltlich für falsch halten, auch vom Verfahren her“. Außerdem sei der „Nutzen für die Terrorbekämpfung nicht deutlich geworden“.

SWIFT

Swift steht für "Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication" und betreibt ein Rechnernetz, mit der internationale Überweisungen durchgeführt werden. Involvierte Konten werden über den "Swift-Code" (auch: BIC-Code) identifiziert.

Europäer in der Zwickmühle

Das besagte Abkommen zwischen der Union und den USA ist nach dem belgischen Privatunternehmen Swift benannt, das so gut wie alle elektronischen Banküberweisungen weltweit verwaltet. Nach den New Yorker Terroranschlägen vom 11.September 2001 führte Washington das sogenannte Terrorist Finance Tracking Programme ein, im Rahmen dessen das US-Finanzministerium von Swift Daten über elektronische Geldüberweisungen anforderte, die möglicherweise der Finanzierung von Terrorgruppen dienen.

Swift hatte bis Ende 2009 einen Computerserver in den USA, auf dem sämtliche Transaktionen, die über seinen Rechner in Europa liefen, spiegelbildlich gespeichert wurden. Das US-Finanzministerium erzwang von Swift jahrelang Zugang zu diesen gespiegelten Daten. Erst im Jahr 2006 deckte die „New York Times“ dieses geheime, durch kein völkerrechtliches Abkommen mit der EU gedeckte Tun auf.

Die Enthüllung, dass ein europäisches Unternehmen jahrelang ohne europäische Rechtsgrundlage von den US-Behörden gezwungen wurde, sensible Daten über EU-Bürger preiszugeben, stellte vor allem die Europäische Kommission und die Innenminister der 27 Mitgliedstaaten vor ein Dilemma. Denn einerseits sieht es höchst unvorteilhaft aus, wenn europäische Politiker nichts gegen die Aushöhlung der Grundrechte ihrer Bürger unternehmen.

Andererseits aber hatten die US-Geheimdienste den Europäern bei der Verfolgung von Terroristen jahrelang Ergebnisse von Analysen zur Verfügung gestellt, die auf diesen herausgepressten Swift-Daten beruhten. So betonte zum Beispiel Kommissionspräsident José Manuel Barroso am 25.November vergangenen Jahres bei einer Aussprache mit dem Europaparlament, dank der Weitergabe der Swift-Daten hätten die US-Geheimdienste Europas Behörden über 5400Verdachtsfälle informiert. Konkrete Anschläge seien verhindert worden, etwa jener der Terrorgruppe „Islamische Dschihad-Union“, die eine deutsche Zelle im Sauerland hatte.

Bloß stimmt das nicht. Swift-Daten hätten bei den Ermittlungen der deutschen Bundesanwaltschaft und des Bundeskriminalamts gegen die „Sauerland“-Gruppe „keine erkennbare Rolle gespielt“, zitierte die „Financial Times Deutschland“ Anfang Dezember einen Sprecher der deutschen Bundesanwaltschaft.

Dennoch beschlossen die Innenminister am 30.November in Brüssel, ein neunmonatiges Übergangsabkommen mit den USA zu schließen, das am 1. Februar, also nächsten Montag, in Kraft tritt.

„Noch ziemlich alles offen“

Dabei ignorierten Kommission und Rat das Parlament – ein schwerer taktischer Fehler: Denn nur einen Tag später, am 1.Dezember, gewannen die Europamandatare kraft des EU-Reformvertrags von Lissabon die Mitentscheidungsgewalt in so gut wie allen politischen Feldern – auch im hier berührten Bereich Inneres.

Die Abgeordneten, jahrelang als zweite Garde belächelt, gewinnen zusehends Gefallen an ihren neuen Kräften. Das Ringen um das Swift-Abkommen ist somit ihre erste große Machtprobe.

Ganz sicher ist es allerdings noch nicht, dass das Swift-Abkommen gleich wieder kippt. Denn die beiden größten Fraktionen, die EVP und die Sozialdemokraten, legen sich erst bei ihren Sitzungen am kommenden Mittwoch fest. „Vor allem unsere deutschsprachigen Abgeordneten sind dagegen. Aber es trudeln täglich neue Infos ein“, sagte ein EVP-Sprecher zur „Presse“. „Es gibt gute Argumente dafür und dagegen. Da ist noch ziemlich alles drin.“

„Derzeit sieht es nach einem Nein aus. Entschieden ist aber noch nichts“, hieß es aus dem Büro der SPD-Abgeordneten Birgit Sippel auf Anfrage der „Presse“.

Die US-Botschaft in Brüssel hält sich bedeckt. „Wir arbeiten hart daran, dieses Abkommen zu bekommen“, sagte eine Sprecherin zur „Presse“.

Leitartikel von Wolfgang BöhmSeite 31

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.01.2010)

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