Wie sich die SPÖ unter Michael Ludwig verändert

Seit Samstag ist Michael Ludwig Chef der Wiener SPÖ, ab Mai folgt er dann Michael Häupl auch als Bürgermeister
Seit Samstag ist Michael Ludwig Chef der Wiener SPÖ, ab Mai folgt er dann Michael Häupl auch als Bürgermeister(c) APA/HERBERT PFARRHOFER
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Der Flügelkampf ist entschieden, Ludwig ist Chef der mächtigsten roten Landespartei Österreichs. Was sich nun ändert - in der SPÖ und in der Stadt.

Wien. In Wien begann eine neue Zeitrechnung. Michael Häupl zog sich nach einem Vierteljahrhundert an der Spitze der Wiener SPÖ zurück und übergab die Führung der wichtigsten roten Landespartei an Wohnbaustadtrat Michael Ludwig – nachdem dieser sich in einer Kampfabstimmung gegen Andreas Schieder, SP-Klubchef im Parlament, durchgesetzt hatte. „Die Presse“ beantwortet die wichtigsten Fragen über die Folgen dieser Entscheidung.

1 Ist die Wiener SPÖ wieder geeint und der Flügelkampf beendet?

Definitiv nicht. Nach der Wahl erklärte Finanzstadträtin Renate Brauner gegenüber dem „Standard“ demonstrativ, dass sie Schieder für den besseren Kandidaten gehalten habe. Gleichzeitig entwickelte sich in Teilen des linken Flügels (nach dem ersten Schock der Niederlage) eine „Jetzt erst recht“-Stimmung: „Ludwig muss auf uns zugehen. Er braucht genügend Stimmen, um im Gemeinderat zum Bürgermeister gewählt zu werden“, war mehrfach zu hören. Das ist ein formal richtiger Hinweis, der als offene Drohung verstanden werden darf.

Nebenbei war am Sonntag zu hören, dass eine Splittergruppe des linken Flügels Ludwig doch noch zu Fall bringen will –, indem dessen Vorhaben ab sofort blockiert werden. Eine schlechte Performance bedeute schlechte Aussichten für die Wien-Wahl 2020: Mit dieser Begründung könne man Ludwig noch rechtzeitig gegen Christian Kern austauschen, war zu hören.

Zu glauben, dass eine derartige Vorgangsweise funktioniert, ist zwar absurd. Es zeigt aber die Gefahr, dass Ludwigs Wahlkampf 2020 von Teilen der eigenen Partei versenkt werden könnte. So wie Kerns Nationalratswahlkampf von der eigenen Partei versenkt wurde.

2 Wird Ludwig die Wiener SPÖ nun völlig neu aufstellen?

Dass der erste Weg des neuen SPÖ-Chefs in die Parteizentrale führt, ist erwartbar. Parteimanagerin Sybille Straubinger dürfte Ludwigs Besuch am heutigen Montag aber wenig freudig erwarten – hat sich die Führung der Löwelstraße zuletzt aktiv auf die Seite von Andreas Schieder und gegen Ludwig gestellt. Damit wird es zeitnah zu einem Wechsel in der Löwelstraße kommen. Wer Straubinger nachfolgt, ist offen.

3 Wer in der Wiener Stadtregierung muss nun gehen?

Ludwig wird erst im Mai (im Gemeinderat) zum Bürgermeister gewählt – davor kann er keine personellen Änderungen in der Stadtregierung durchsetzen. Vorerst wird er für Gespräche durch Bezirke und Organisationen touren, um danach sein Team zusammenzu- stellen. Im Vorfeld war Ludwig peinlich genau darauf bedacht, keine Namen zu nennen. Nun ist aber mit einem Signal der Versöhnung an den linken Flügel zu rechnen. Das könnte beispielsweise Ex-Gesundheitsministerin Pamela Rendi-Wagner als neue Gesundheitsstadträtin sein.

Absehbar sind radikale Änderungen im aktuellen Team, das für 2020 neu aufgestellt wird. Nur Integrationsstadtrat Jürgen Czernohorsky werden (neben Stadträtin Ulli Sima) noch Chancen gegeben. Als klare Ablösekandidatinnen gelten Gesundheitsstadträtin Sandra Frauenberger und Finanzstadträtin Renate Brauner. Gleich danach dürfte die Spitze des roten Rathausklubs neu besetzt werden.

4 Welche Linie wird Wien unter einem Bürgermeister Ludwig fahren?

Die Linie wird sich stärker der politischen Mitte annähern. Ludwig will die Wiener Mindestsicherung evaluieren – womit hier Änderungen zu erwarten sind, z.B. Wartefristen für neu Zuziehende. Ähnliches ist auch bei anderen Sozialleistungen der Stadt zu erwarten, sieht Ludwig sich doch als Schutzpatron für die Wiener Bevölkerung, wie er es formulierte. Auch im Verkehrsbereich ist eine härtere Gangart gegenüber den Grünen zu erwarten, während die klare Abgrenzung gegenüber der FPÖ unter Ludwig bestehen bleibt.

5 Was bedeutet die Wahl Ludwigs für Rot-Grün in Wien?

Bis 2020 wird Rot-Grün weitergeführt, Neuwahlen können sich beide nicht leisten. In grünen Kreisen ist zu hören: Man erwarte keine großen Änderungen. Ludwig sei Pragmatiker, kein Rechter, aber im Verkehrsbereich werde es härter.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.01.2018)

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