Am Dienstag wird der US-Präsident in seiner Rede zur Lage der Nation für seine billionenschweren Infrastrukturprojekte werben. Woher das Geld kommen soll, ist indes unklar.
Washington. Die jährliche Rede zur Lage der Nation ist für einen US-amerikanischen Präsidenten einer der wichtigsten Termine im Jahr. Vor beiden Häusern des Kongresses, den Mitgliedern des Kabinetts, des Verfassungsgerichts und der Militärführung kann der Staatschef zur besten Sendezeit für seine Politik werben und die Einheit des Landes beschwören. Trump werde auf das robuste Wirtschaftswachstum, sinkende Arbeitslosigkeit, seine Steuerreform und die immer neuen Börsenrekorde hinweisen, berichten US-Zeitungen.
Ein weiterer Schwerpunkt dürfte Trumps Plan für ein 1,7 Billionen Dollar teures Programm zur Infrastrukturmodernisierung sein. Das Thema ist für ihn heuer ein Schwerpunkt, auch wenn derzeit niemand weiß, wo das viele Geld herkommen soll. Doch nicht nur der Präsident wird bei der Rede im Plenum des Repräsentantenhauses Zeichen setzen: Die oppositionellen Demokraten wollen mehrere Dutzend junge Einwanderer mit in den Saal bringen – jene sogenannten „Dreamer“, die als Kinder ohne Papiere in die USA kamen und von Trump jetzt aus dem Land geworfen werden sollen.
Trump will die rund 800.000 jungen Immigranten nur dulden, wenn die Demokraten im Gegenzug milliardenschweren Ausgaben für die Grenzsicherung und besonders für die umstrittene Mauer an der Grenze zu Mexiko zustimmen. Der Streit, der vor zwei Wochen schon zu einer kurzfristigen Haushaltssperre führte, vergiftet das Klima zwischen den Parteien.
Kritik an Sprunghaftigkeit
Die Suche nach einer Lösung wird nicht zuletzt durch die Sprunghaftigkeit des Präsidenten selbst erschwert. Trump sagt und twittert viel, wenn der Tag lang ist – und nicht alles passt zusammen. So sprach er sich in den vergangenen Wochen zunächst für umfassende Kompromisse in der Migrationspolitik aus und überraschte die Demokraten später mit seinen Milliardenforderungen.
Zugleich verhöhnte er ranghohe Demokraten und bezeichnete mittelamerikanische und afrikanische Länder als „Dreckslöcher“. Mit Trump zu verhandeln gleiche dem Versuch, einen Pudding an die Wand zu nageln, warf Chuck Schumer, der demokratische Fraktionschef im Senat, dem Präsidenten darauf vor. Ob Trump bei der Rede am Dienstag neue und verbindliche Angebote an die Opposition unterbreitet, ist offen.
Unklar ist auch, wie und ob der Präsident auf die Vorwürfe einer Verwicklung seines Wahlkampfteams in russische Manipulationsversuche bei der Präsidentenwahl 2016 eingehen wird. Sonderermittler Robert Mueller zieht immer engere Kreise um Trump und will ihn persönlich befragen. Der Staatschef weist alle Vorwürfe zurück und ist nach eigenen Worten zu einer Vernehmung unter Eid bereit.
Die Vorstellung eines persönlichen Gesprächs zwischen Trump und Mueller bereitet einigen seiner Mitarbeiter schlaflose Nächte, wie das Nachrichtenportal Axios unter Berufung auf Gewährsleute meldete. Der für sein loses Mundwerk bekannte Präsident könnte sich in einer Vernehmung leicht in Widersprüche verstricken und Meineid begehen, lautete die Befürchtung. Trump empfindet die Russland-Ermittlungen als lästiges Ränkespiel der Opposition.
Der „New York Times“ zufolge konnte der Präsident im Sommer nur mit großer Mühe davon abgebracht werden, Mueller zu feuern. Eine Entlassung des Sonderermittlers könnte aber ein Amtsenthebungsverfahren gegen Trump einleiten, warnen sogar ranghohe Republikaner: Jeder im Weißen Haus wisse, dass eine Ablösung Muellers das Ende von Trumps Präsidentschaft sein würde, sagte der wichtige Senator Lindsay Graham.
Parallelen zu Watergate-Affäre
Mittlerweile denken einige Republikaner darüber nach, Mueller mit einem Sondergesetz vor Trumps Willkür zu schützen. Viele von ihnen erinnern sich nur zu gut an den Skandalpräsidenten Richard Nixon, der während der Watergate-Affäre in den 1970er-Jahren den damaligen Sonderermittler feuern ließ. Nixon musste später zurücktreten, um einer Amtsenthebung durch den Kongress zu entgehen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.01.2018)