Orbán bei Kurz: "Persönliche Sympathien sind vorhanden"

Schlussendlich gab es doch eine Pressekonferenz von Kurz und Orbán.
Schlussendlich gab es doch eine Pressekonferenz von Kurz und Orbán.APA/AFP/JOE KLAMAR
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Ungarns Premier Orbán führt auch ein bisschen Wahlkampf in Wien. Mit Kanzler Kurz spricht er sich für starke EU-Außengrenzen aus. Orbán trifft danach auch FP-Chef Strache und Minister Hofer. Bei der Opposition sorgt der Besuch für heftige Kritik.

Unangenehmen Fragen wollte er sich in Wien eigentlich gar nicht erst aussetzen. Denn der kritische Empfang war dem ungarischen Premierminister Viktor Orbán bereits gewiss: Die Parlamentarier von SPÖ und Grünen im Europaparlament reagierten am Dienstag mit heftiger Kritik auch seinen Besuch. Nach dem mittäglichen Arbeitstreffen mit Bundeskanzler Sebastian Kurz war ursprünglich keine Pressekonferenz vorgesehen, und davor lediglich ein Fototermin. Doch das erschien dem Gastgeber dann doch etwas zu unkommunikativ. Und so ließ sich Orbán (54) also aufgrund des großen Medieninteresses überreden, nach dem Arbeitsessen mit Bundeskanzler Sebastian Kurz wenigstens eine Erklärung abzugeben – und vier Fragen zuzulassen.

Sowohl Kurz als auch Orbán betonten in einem gemeinsamen Auftritt die gute Zusammenarbeit. "Ich darf offenbaren, dass es nicht unser erstes Gespräch war", sagte der ungarische Gast und spielte auf Treffen der beiden in der Funktion als Chefs konservativer Parteien an. Sowohl persönlich als auch politisch hege man Sympathien füreinander.

Die geplante Anpassung der Familienbeihilfe für in Österreich arbeitende Ausländer an Lebenserhaltungskosten im Ausland sehe man in Ungarn zwar als Diskriminierung, man wolle sich aber dem Urteil der Europäischen Kommission beugen. Es sei kein spezifisch ungarisch-österreichischer Streitfall. Auch der österreichische Protest gegen staatliche ungarische Unterstützung für das grenznahe Atomkraftwerk Paks sollen die bilateralen Beziehungen nicht trüben, betonten Kurz und Orbán. Das sei auf europäischer Ebene zu klären.

Der Schutz der EU-Außengrenzen

Einig waren sich die Regierungschefs auch in der Migrationsfrage. "Wir müssen illegale Migration stoppen, um die Sicherheit in der EU zu gewährleisten", formulierte es Kurz. Orbán: "Die größte Bedrohung heute hinsichtlich der hoffnungsvollen Zukunft Mitteleuropas ist die Völkerwanderung, die man schlichtweg als Migrationsfrage zu bezeichnen pflegt." Wer illegal eingereist sei, müsse zurückgebracht werden. Es sei offensichtlich, das man auf eine Gesetzeswidrigkeit kein Recht stützen könne, so Orbán, der auch auf die christliche Kultur und Wertegemeinschaft Bezug nahm: "Wir brauchen keine Parallelgesellschaft". Er wolle dabei aber nicht die religiöse, sondern die kulturelle Seite hervorheben.

Beide betonten die Wichtigkeit des Schutzes der EU-Außengrenzen. Kurz versprach, zu diesem Zweck auch weiterhin österreichische Polizisten für den Grenzschutz nach Ungarn zu schicken. Orbán sah diesbezüglich in einigen EU-Binnenländern kein starkes Engagement: "Wenn wir Schengen wollen, dann müssen wir die Außengrenzen schließen und die Innengrenzen öffnen. Heute will man die Außengrenzen öffnen und die Innengrenzen schließen." Beide favorisieren die „Option IV“, die EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker im März im Weißbuch zur Zukunft Europas genannt hat: Weniger EU, dafür effizienter, lautet ihr Subsidiaritätsmotto. Darauf haben sich Kurz und Strache auch im Regierungsprogramm festgelegt. 

Ein Beitritt Österreichs zu den Visegrád-Staaten sei eine reine Mediendebatte, sagte Kurz. Die Slowakei, Ungarn, Tschechien und Polen wollen diese Staatengruppe nicht erweitern, betonten beide, Österreich wolle auch gar nicht beitreten, so Kurz. Österreich habe aber eine Brückenfunktion.

Strache und Hofer in der ungarischen Botschaft

Schon zu Beginn seiner Reise gab sich Orbán leutselig. Am Montag kurz vor halb sieben am Abend kam er an Wiens Hauptbahnhof an, er hatte den Zug gewählt – wie ein „normaler Bürger“, einen Railjet der ÖBB - allerdings erste Klasse. Ungarn wählt im April, da können volksnahe Bilder helfen. Unterwegs postete Orbán ein Video auf Facebook, um selbst zu erklären, was das Ziel seiner Reise sei. Nämlich: „Österreich und Ungarn schützen.“ Er würde in Wien gerne Vereinbarungen zum Thema Migration treffen, kündigte er an.

Die Betten aufgeschlagen wurden für ihn in Ungarns Botschaft. Und dorthin, in die Bankgasse, pilgerte am Dienstag sein erster Gesprächspartner, der Ex-Vizekanzler und Vorsitzende des Instituts für den Donauraum und Mitteleuropa, Erhard Busek. Davor nahm sich Orbán aber noch Zeit für einen Ausflug zum Würstelstand bei der Wiener Oper. Ein Foto davon landete prompt auf seiner Facebook-Seite. Der Premier nützt seinen Aufenthalt in Wien offenbar auch, um Bilder für seinen Wahlkampf zu produzieren.

Orbán postete ein Fotoe vom Zwischenstopp beim Würstelstand auf seiner Facebook-Seite.
Orbán postete ein Fotoe vom Zwischenstopp beim Würstelstand auf seiner Facebook-Seite.(c) Facebook/Viktor Orbán

Nach dem Termin bei Kurz war ein Treffen Orbáns mit Ex-Kanzler Wolfgang Schüssel geplant, abends im Hotel Sacher. Und im Erzbischöflichen Palais wird nachmittags Kardinal Christoph Schönborn die Pforten für Orbán öffnen.

Danach soll der Premier in der ungarischen Botschaft FP-Vizekanzler Heinz-Christian Strache und Infrastrukturminister Norbert Hofer empfangen. Auch hier sind im Anschluss gemeinsame Statements vor einer kleinen Journalistengruppe geplant. Nach dem Treffen mit Kurz hatte Orbán die wichtige Rolle der FPÖ in Sicherheitsfragen in der Regierung betont - vor allem was die Ressort-Aufteilung betrifft. Parteibeziehungen habe es bisher nur mit der ÖVP gegeben, nun gebe es aber eine neue Situation. "Wenn es die Partei des Kanzlers schafft, mit der FPÖ zusammenzuarbeiten, werden wir das auch schaffen", meinte der ungarische Premier.

Keine „deutsche Provinz“ mehr

Kurz hat sich bei Besuchen in Brüssel und Berlin als Brückenbauer zwischen den V4 und dem übrigen Europa positioniert. Doch vereinnahmen lassen will sich der ÖVP-Chef von Orbán nicht. Eine Einladung, doch gleich nach der Angelobung nach Budapest zu fahren, hat Kurz abgelehnt. Zu einem Gegenbesuch in Budapest könnte es dennoch bald kommen. Vorher noch, am 1. März, wird Außenministerin Karin Kneissl dorthin fahren.

Von Orbán wird der Spruch kolportiert, Österreich sei kaum mehr als „eine deutsche Provinz“. Insofern fahre er selten nach Wien, denn es sei eigentlich passender, den Regionalverwaltungsvorsitzenden des Komitats Vas zu schicken, wenn es etwas zu besprechen gebe (die Hauptstadt dieses Komitats ist Szombathely/Steinamanger an der Grenze zum Burgenland).

Ob wahr oder gut erfunden: Seit Kurz' Amtsantritt änderte sich der Ton. „Es gibt großen Respekt“, sagt ein hoher Mitarbeiter Orbáns. Und: „Die Zeiten sind vorbei, dass Deutschland Österreich sagen konnte, was gut und richtig ist.“ Wien, so empfindet man, hat sich von Berlin emanzipiert, will eigenständig und selbstbewusst europäische Politik gestalten. Vor allem darüber wollte Orbán mit Kurz reden.

>> Zur Facebook-Seite von Viktor Orbán

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.01.2018)

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