Russland/USA: Washington hat Kreml-Elite im Visier

Auch der russische Premier Dmitrij Medwedjew findet sich in einem Papier des US-Finanzministeriums.
Auch der russische Premier Dmitrij Medwedjew findet sich in einem Papier des US-Finanzministeriums.(c) APA/AFP/POOL/KIRILL KUDRYAVTSEV
  • Drucken

Nach Veröffentlichung einer Liste mit 210 prominenten Politikern und Geschäftsleuten schwankt Moskau zwischen Ärger und Angst vor neuen Sanktionen.

Moskau. Was haben der russische Premier Dmitrij Medwedjew, Rusal-Besitzer Oleg Deripaska, Gasprom-Chef Alexej Miller, Moskaus Bürgermeister Sergej Sobjanin, Rosneft-Chef Igor Setschin und der Besitzer des Basketballteams Brooklyn Nets, Michail Prochorow, gemein? Sie finden sich in einem Papier des US-Finanzministeriums, das 210 ranghohe russische Politiker und Oligarchen auflistet.

Das am Dienstag veröffentlichte und als „unclassified“ geführte Dokument gilt als mögliche engere Auswahl für neue US-Sanktionen gegen Russland wegen der mutmaßlichen Manipulation der US-Wahl 2016. In den Erläuterungen zu der Liste heißt es, dass die genannten Politiker und Beamten sich durch ihre Nähe zum Kreml auszeichneten; die gelisteten Geschäftsleute besäßen allesamt ein Vermögen von mindestens einer Milliarde Dollar. Die Oligarchen-Aufstellung erinnert stark an jene des Magazins Forbes.

Seit der völkerrechtswidrigen Krim-Annexion durch Russland und der Intervention in der Ostukraine wurden US-Sanktionen gegen Russland in mehreren Wellen erlassen. Die gestern veröffentlichte Liste ist Teil eines neuen Pakets, das Präsident Donald Trump auf Druck des Kongresses gebilligt hat und das sich gegen die Moskauer Wahlbeeinflussung richtet. Das Papier kann in diesem Kontext als starke Drohung verstanden werden: Unter Sanktionen kann potenziell jeder fallen, der dem Kreml nahe steht. Die Aufzählung bleibt aber zunächst folgenlos.

„Die Karawane zieht weiter“

In Russland schwankte die Reaktion zwischen Entrüstung und Schulterzucken. „Politische Paranoia ist sehr schwer zu behandeln“, sagte Senator und Außenpolitiker Konstantin Kosatschew. „Die Liste könnte Schaden sowohl für das Image als auch für den guten Ruf unserer Firmen, Unternehmer und auch Politiker verursachen“, so der ebenfalls gelistete Kreml-Sprecher Dmitrij Peskow.

Auch Putin wurde am Dienstag bei einer Diskussionsveranstaltung auf die Liste angesprochen. Es sei „verletzend“, dass er selbst nicht genannt werde, sagte er im Scherz und erklärte angesichts des „unfreundlichen Akts“: „Die Hunde bellen, die Karawane zieht weiter.“ Das wurde mit Applaus quittiert.

Ins Auge sticht freilich auch die wahllos wirkende Zusammenstellung des Dokuments und das Fehlen weiterführender Informationen, was den Personen konkret zur Last gelegt wird. Konkrete Dossiers dürften noch unter Verschluss gehalten werden. Die US-Regierung dürfte freilich kaum Außenminister Sergej Lawrow, der ebenfalls in der Liste aufscheint, mit einem Einreisebann belegen. Offensichtlich wurden die Namen der hohen Beamten eins zu eins aus dem Internet kopiert – in der Reihenfolge ihres Erscheinens.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.01.2018)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Wladimir Putin gibt sich trotz neuer US-Maßnahmen konziliant.
Außenpolitik

Russlands Ärger über die "Oligarchenliste" der USA

Die USA veröffentlichen eine Liste mit 114 Personen, gegen die es bald Sanktionen geben könnte. Putin warnt die USA vor einer neuer Eiszeit in den Beziehungen.
Die Anhänger des nicht zur Wahl zugelassenen Alexander Nawalny fordern einer Wahl-Boykott.
Außenpolitik

Russland: USA wollen mit Sanktionen Präsidentenwahl beeinflussen

Am Montag wird mit der Veröffentlichung neuer US-Sanktionsberichte gerechnet. Für die russische Regierung ein Indiz, dass die USA die Präsidentenwahl beeinflussen will.
Für den von Nawalny ausgerufenen „Wählerstreik“ gingen mehrere Tausend Menschen wie hier in Moskau auf die Straße – weniger, als die Organisatoren erhofft hatten.
Außenpolitik

Russland: Nawalny in der politischen Sackgasse

Zum landesweiten "Wählerstreik" des Kreml-Kritikers kamen weniger Teilnehmer als erwartet. Nawalny wurde in Moskau kurzzeitig festgenommen. Die Behörden erhöhen ihren Druck auf ihn.
Außenpolitik

Kremlkritiker Nawalny in Moskau festgenommen

Kremlkritiker Alexej Nawalny hatte zu landesweiten Demonstrationen gegen Präsident Wladimir Putin aufgerufen. Hunderte Regierungsgegner folgten seinem Aufruf. Er selbst wurde festgenommen.
Außenpolitik

Gusenbauers Ukraine-Connection: "Ich wurde für die Konferenzen bezahlt"

Der Ex-Kanzler weist einen Bericht, wonach er für pro-westliches Lobbying in der Ukraine 30.000 Euro monatlich verdient habe, zurück. Er habe die Zahlungen in seinen Steuererklärungen vermerkt.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.