Ägypten: Wahl ohne echte Gegenkandidaten

Es gibt nur einen Pharao in Ägypten. Staatschef Abdel Fatah al-Sisi ist die Wiederwahl sicher.
Es gibt nur einen Pharao in Ägypten. Staatschef Abdel Fatah al-Sisi ist die Wiederwahl sicher. (c) APA/AFP/POOL/CHARLES PLATIAU
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Präsident Abdel Fatah al-Sisi lässt sich im März wiederwählen. Er hat dabei keine Rivalen. Denn alle ernstzunehmenden Herausforderer zogen sich auf Druck zurück oder wurden verhaftet.

Kairo. Eine Pro-Forma-Wahl, mit einem Pro-Forma-Gegenkandidaten und einem sicheren Sieger: Das sind Wahlen auf Ägyptisch. Wenn im Nilland Ende März ein Präsident gewählt wird, ist das Ergebnis schon heute klar: Der alte Präsident Abdel Fatah al-Sisi wird auch der neue werden. Denn es wird ein recht einsamer Wahlkampf und dass die Wahlen überhaupt stattfinden, ist allein der ägyptischen Verfassung geschuldet.

Der Clou: Sisi hat praktisch keinen ernsthaften Gegenkandidaten. Denn die wurden in den vergangenen Wochen systematisch ausgeschaltet. Es begann bereits Ende vergangenen Jahres. Der letzte Premier Mubaraks, Ahmad Shafik, hatte bereits im November aus seinem Exil in den Arabischen Emiraten verkündet, gegen Sisi antreten zu wollen. Daraufhin wurde Shafik, der bei der Präsidentschaftswahl 2012 gegen den Muslimbruder Mohammed Mursi verloren hatte, in Dubai verhaftet und in einem Privatflugzeug deportiert. Bei seiner Ankunft in Kairo wurde er in ein Fünfsterne-Hotel gebracht und dort festgehalten, bis er seinen Rückzug verkündete. „Da ich mehr als fünf Jahre nicht im Land war, bin ich nicht die ideale Person für das Amt“, schrieb er auf Twitter – Akte Shafik geschlossen.

Einstieg eines Schwergewichts

Erwartet wurde auch, das Mohammed Anwar al-Sadat antritt, der Neffe des einstigen Präsidenten Anwar al-Sadat. Doch als er sah, was mit Shafik passierte, trat er erst gar nicht an. „In einem solchen Klima kann ich nicht weiter machen, ich habe beschlossen, nicht zu kandidieren“, erklärte er.

Dann stieg vor zehn Tagen ein wirkliches Schwergewicht ins Rennen ein: Sami Anan, der ehemalige Stabschef des Militärs und Sisis einstiger Chef, der nach der Mubarak-Ära in Pension gegangen war. In einer Videobotschaft rief er alle zivilen und militärischen Institutionen auf, sich neutral zu verhalten. Ägypten müsse vor falscher Politik gerettet werden, forderte er. Er wäre vielleicht ein ernsthafter Konkurrent für Sisi gewesen, aber zwei Generäle ist einer zu viel. Anan wurde drei Tage nach dieser Ankündigung festgenommen und sitzt jetzt in Haft, weil er für seine Bewerbung nicht die Genehmigung des Militärs eingeholt hatte, wie es offiziell heißt.

Am Ende zog sich dann auch der prominente Anwalt Khaled Ali zurück, den Demokratieaktivisten und Menschenrechtler aufgestellt hatten. Nicht dass diese ernsthaft glaubten, er habe ein Chance. Aber sie hofften mit einem Kandidaten wieder politische Räume in der öffentlichen Debatte zurückzuerobern. „Die Chance auf irgendeine Hoffnung in dieser Wahl ist verloren gegangen“, begründete Ali seinen Schritt. Bis wenige Minuten vor dem Bewerbungsschluss sah es so aus, als würde Sisi nun alleine antreten. Dann stieg doch noch Moussa Mostafa Moussa ins Rennen ein. Ein Politiker, den niemand ernst nimmt und dessen kleine Partei zu Sisis Unterstützern zählt.

Übrig bleibt Ernüchterung: „Mit dieser Art von Wahl wird sogar dem Anschein eines politischen Prozesses jegliche Bedeutung entzogen“, sagt Politologe Hisham Hellyer, der für die US-Denkfabrik „Atlantic Council“ und das britische „Royal United Services Institute“ arbeitet.

Dennoch glaubt er im Gespräch mit der „Presse“, dass Sisi international wenig Gegenwind entgegenschlagen wird. „US-Präsident Donald Trump wird Glückwünsche übermitteln, wenn Sisi seine zweite Amtszeit beginnt“, prophezeit er. Und auch die Europäer, „werden wahrscheinlich hinter verschlossenen Türen ein wenig murren, aber das wird ihre Politik gegenüber Ägypten nicht verändern. Denn die wird bestimmt von wesentlich kurzfristigeren Erwägungen“. Schließlich wird Sisi in Europa als Partner im Anti-Terrorkampf und bei der Eindämmung der Flüchtlingskrise gesehen.

Es gibt nur einen Pharao

Das Problem sei nicht die internationale Glaubwürdigkeit, sondern wie glaubwürdig dieser Prozess in Ägypten selbst aufgenommen wird und was das für künftige Krisen bedeutet, warnt Hellyer. „Wenn es eine Krise gibt: Wem können sich die Menschen zuwenden innerhalb des politischen Prozesses, um Dissens auszudrücken? Wenn sie keinen Vertrauen haben in die Glaubwürdigkeit eines Wahlprozesses: Wo können sich dieser Dissens und diese Spannung später einmal entladen?“, fragt er.

Denn eines hat die ägyptische Kandidatensaga deutlich gemacht: In Ägypten gibt es derzeit weder Raum für eine politische Debatte, wie sie in einem echten Wahlkampf stattgefunden hätte, noch für irgendeine Oppositionsfigur. In Ägypten gibt es nur einen Pharao.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.01.2018)

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