Wer würde sich nicht gerne den eigenen Chef aussuchen?

Die Presse
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Die Richter wollen, dass sie – und nicht der Justizminister – bestimmen, wer Spitzenfunktionen im OGH bekommt. Eine eigenwillige Forderung.

Mit heutiger Wirkung wird die Leiterin der Oberstaatsanwaltschaft Wien, Eva Marek, von Bundespräsident Alexander Van der Bellen zur Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshof (OGH) ernannt. Justizminister Josef Moser (ÖVP) hat sie für dieses Amt vorgeschlagen. Sie ist damit neben Elisabeth Lovrek die zweite Vizepräsidentin.

Als ihre Bestellung vor wenigen Tagen bekannt wurde, meldete sich die Präsidentin der Richtervereinigung, Sabine Matejka, mit Kritik zu Wort: „Besetzungen ohne entsprechende transparente Verfahren und Vorschläge durch unabhängige richterliche Senate bergen immer die Gefahr oder den Anschein politischer Einflussnahme“, sagte sie. Auch der ehemaligen OGH-Präsidentin und jetzige Neos-Justizsprecherin Irmgard Griss missfiel der Bestellungsvorgang von Marek zur neuen OGH-Vizepräsidentin. „Der Minister hat die Auswahl offenbar getroffen, ohne sich einen persönlichen Eindruck von allen Bewerbern verschafft zu haben“, rügte sie Josef Moser. Neben Marek haben sich noch fünf andere Kandidaten beworben, darunter auch Senatspräsidenten des OGH. Dass Moser mit Marek jemanden „von außen“ zur Vizepräsidentin des OGH gekürt hat, wo doch bisher nur bereits ernannte Richter zu solchen Ehren kamen, dürfte die Kritiker ebenfalls irritieren.

Die Stelle des OGH-Präsidenten ist bald zu besetzen

Griss wie Matejka forderten deshalb, dass auch bei der Bestellung der Spitzenfunktionen im Obersten Gerichtshof ein Personalsenat einbezogen werden soll. Und es gibt ja bald wieder eine Stelle an der Spitze zu besetzen, nämlich die des OGH-Präsidenten Eckart Ratz. Seine Amtszeit endet am 30. Juni 2018.

Anlässlich der medialen Diskussion lohnt es sich, einen genaueren Blick darauf zu werfen, wie man überhaupt Richter beim OGH wird, aber auch, wie sich besagter richterlicher Personalsenat zusammensetzt: Wird am OGH eine Planstelle für einen Richter ausgeschrieben, erstattet ein Personalsenat einen Besetzungsvorschlag und legt ihn dem Justizminister vor. Die Ernennung obliegt dann dem Bundespräsidenten. Es ist ein stets eingehaltener Brauch, aber gesetzlich keineswegs vorgeschrieben, dass sich Bundesminister und Bundespräsident an den Vorschlag des Personalsenats halten.

Der Personalsenat des OGH besteht ausschließlich aus Richtern, nämlich dem OGH-Präsidenten, einem der Vizepräsidenten und drei weiteren Mitgliedern, die von allen Richtern des OGH gewählt worden sind. Ganz anders als das bei „normalen“ Mitgliedern des OGH vorgesehen ist, läuft die Bestellung der beiden Vizepräsidenten und des Präsidenten des OGH ab. Nach § 32 Absatz 4 des Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetzes ist bei der Auswahl der beiden Vizepräsidenten und des Präsidenten des OGH der Personalsenat in keiner Weise eingebunden. Der Justizminister allein entscheidet nach seinem Ermessen, welchen Vorschlag er dem Bundespräsidenten macht. Moser hat also nichts anderes getan, als sich an das Gesetz gehalten, als er Marek vorschlug.

Auch Richter haben ihre Interessen

Dass die Richtervereinigung diesen Fall zum Anlass nimmt, sich – wieder einmal – für eine Neuregelungen stark zu machen, überrascht nicht. Ihr Motiv liegt auf der Hand: Nicht der Justizminister, ein Organ der Exekutive, sondern sie selbst wollen bestimmen können, wer ihre nächsten Vorgesetzten – also der Präsident bzw. die nächsten Vizepräsidenten – werden. Ob ein solches Bestellungsprozedere allerdings Garant dafür ist, dass auch tatsächlich der beste Jurist zum Zug kommt, sei dahin gestellt. Auch Richter haben – wie Bundesminister – so ihre eigenen Interessen, wenn es um den neuen Chef geht. Das ist allzu menschlich. Nicht anders geht es Mitarbeitern eines Unternehmens. Eine Belegschaft allerdings, die verlangt, künftig ihren Geschäftsführer oder Vorstandsvorsitzenden selbst zu wählen, würde niemand ernst nehmen.

Ob der Justizminister mit Marek den besten Kandidaten für das Amt ausgesucht hat, kann heute noch nicht beurteilt werden. Jedenfalls muss Moser seine Entscheidung vor dem Parlament rechtfertigen. Im Unterschied zu den Richtern im Personalsenat. Sie müssen ihren Besetzungsvorschlag zwar begründen, aber nicht verantworten. Sie agieren nämlich – so sieht es Artikel 87 des Bundesverfassungsgesetzes vor – auch in dieser Angelegenheit unabhängig.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.02.2018)

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