Nürnberger: "Bei Unterschrift wäre ich zurückgetreten"

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Scheitern von rot-schwarz: SPÖ-Gewerkschafter Nürnberger schildert, warum er den Pakt nicht unterscheiben konnte.

Vor zehn Jahren hat man mir die Verantwortung für das Scheitern einer SPÖ-ÖVP-Koalition nach den Nationalratswahlen Ende 1999 gegeben.

„Weil der Nürnberger nicht unterschrieben hat, gibt es keine SPÖ-ÖVP-Regierung“, hat es geheißen. Das möchte ich auch heute, zehn Jahre später, noch zurechtrücken: Erstens war ich für die Sozialdemokratischen GewerkschafterInnen im Verhandlungsteam der SPÖ – nicht als Person Rudolf Nürnberger. Zweitens haben in der entscheidenden Sitzung im SPÖ-Parlamentsklub zwei Drittel der Abgeordneten dem Pakt nicht zugestimmt. Nach wie vor bin ich davon überzeugt, dass das damals die richtige Entscheidung war.

Die Verhandlungen Ende 1999/Anfang 2000 waren von Anfang an äußerst schwierig. Die ÖVP – die bei den Nationalratswahlen übrigens den dritten Platz gemacht hatte – hatte seit Beginn der Verhandlungen kein wirkliches Interesse an einer Koalition mit der SPÖ. Bei sehr vielen Verhandlungspositionen, die die ÖVP-Vertreter in die Gespräche eingebracht haben, musste ihnen klar gewesen sein, dass zumindest wesentliche Teile der SPÖ nicht mitgehen konnten – Einsparungen im Bundesdienst, Anhebung des gesetzlichen Frühpensionsalters und gegen Ende der Verhandlungen die beharrliche Weigerung der ÖVP, dass die SPÖ das Finanzressort übernimmt.

Die ÖVP – auch Arbeitnehmervertreter Werner Fasslabend, der damals ÖAAB-Chef war – hat in den Verhandlungen die Anhebung des Antrittsalters für die vorzeitige Alterspension zur Koalitionsbedingung gemacht. Es war vollkommen klar, dass die SPÖ-Gewerkschafter, aber auch große Teile des SPÖ-Klubs, dem nicht zustimmen würden. Ich war nicht der einzige SPÖ-Koalitionsverhandler, der das ganz deutliche Gefühl hatten, der ÖVP wäre es nicht ernst. Das alles hat sich Mitte Jänner 2000 derart zugespitzt, wie ich es auch in den schwierigsten Phasen von Lohnverhandlungen nicht erlebt habe. Das unverfrorene Verhalten der Verhandler war umso ärgerlicher, wenn man bedenkt, dass die ÖVP aus der Wahl eigentlich als klarer Verlierer hervorgegangen ist. Unverfroren deshalb, weil uns deutlich das Gefühl vermittelt wurde, egal, was wir tun, die ÖVP will uns ärgern.

ÖVP wollte die Gewerkschaft fesseln

Dass Wolfgang Schüssel und Andreas Khol darauf beharrt haben, ich als Person müsse den Koalitionspakt unterschreiben, wurde im Nachhinein u. a. von Heinz Fischer als Versuch, die gesamte Gewerkschaftsbewegung zu fesseln, bezeichnet. Diese Einschätzung teile ich weiter – auch wenn das nicht funktioniert hätte. Denn dann wäre zwar meine Unterschrift auf dem Papier gewesen, ich wäre als FSG-Vorsitzender aber zurückgetreten und ein neuer FSG-Chef hätte sich nicht auf meine Unterschrift festnageln lassen. Die Einstellung gegenüber den GewerkschafterInnen – vornehmlich den sozialdemokratischen – hat sich in der schwarz-blauen Regierung fortgesetzt, ich erinnere an die Pensionsreform und an die (teils auch realisierten) Versuche, „rote Gewerkschafter“ aus Gremien der Sozialversicherung zu eliminieren, um schwarze und blaue Parteigänger zu versorgen.

Die SPÖ-Parteispitze war natürlich die allerlängste Zeit bemüht, eine Koalition mit der ÖVP zustande zu bringen. Denn die Alternativen waren eigentlich keine: Eine Alleinregierung der SPÖ ohne parlamentarische Mehrheit war ebenso wenig eine Option wie eine Koalition der SPÖ mit der damaligen Haider-FPÖ. Ich habe das damalige Agieren der SPÖ-Führung unter diesen Aspekten verstanden: Immerhin ist es darum gegangen, eine Regierung zu bilden, die für die Menschen im Land arbeitet. Eine allein regierende SPÖ ohne Mehrheiten hätte das auf Dauer nicht können, und an eine SPÖ-FPÖ-Koalition war ohnehin nicht zu denken.

Nach zehn Jahren, davon sechs Jahre schwarz-blau-oranger Regierungen, stehe ich weiter zur damaligen Vorgangsweise. Natürlich habe ich mich wieder und wieder gefragt, ob es angesichts der schwarz-blauen Politik richtig war, es nicht doch zu versuchen und so Schlimmeres für die Menschen im Land zu verhindern. Aber dann denke ich an die Verhandlungsführung der ÖVP, die man zeitweise als unverfroren bezeichnen musste, weil so offen Unernsthaftigkeit und das Fehlen jeglicher Kompromissbereitschaft zur Schau gestellt wurde.

Rückblickend und zusammenfassend bin ich überzeugt, dass es für die SPÖ richtig war, in Opposition zu gehen und sich die SPÖ-GewerkschafterInnen – ob meine Unterschrift auf dem Koalitionspakt gewesen wäre oder nicht – gegen Pensionsreformen, Ambulanzgebühren, Studiengebühren und andere Grauslichkeiten zur Wehr gesetzt hätten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.01.2010)

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