Als sich die Polizei selbst beschäftigte

(c) Clemens Fabry
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Unter Schwarz-Blau wurde eine der wichtigsten Reformen nach 1945 umgesetzt. Die Fusion von Polizei und Gendarmerie blieb dennoch nicht als großer Erfolg in Erinnerung.

WIEN. Das Ziel war schon während der Koalitionsverhandlungen im Dezember 1999 angedacht worden. In das Regierungsübereinkommen fand die geplante Zusammenlegung von Polizei und Gendarmerie dann aber keinen Eingang, Wolfgang Schüssel wollte keine schlafenden Hunde wecken. Oder besser: nicht noch mehr, als ohnehin schon laut bellten.

Ernst Strasser, der ehrgeizige und effizient arbeitende Klubobmann der machtpolitisch versierten niederösterreichischen Volkspartei, sollte das Innenressort leiten und die Zusammenlegung der beiden zwar parallel agierenden, aber völlig anders tickenden Wachkörper vorbereiten und durchführen. Genau das tat Strasser. Der Widerstand war anfangs gewaltig, noch kein Politiker hatte sich an diesen Brocken gewagt: Jedes Bundesland war stolz auf seine Gendarmerie, jede Stadt auf seine Polizei. Doppelgleisigkeiten galten nicht als solche, sondern als Ausdruck föderalistischer Notwendigkeit und Eigenständigkeit.

Schnelles „Drüberfahren“

Widerstand war diese Koalition gewohnt, als beste Strategie hatte sich das schnelle „Drüberfahren“ erwiesen, von Andreas Khol mit „Speed kills“ nicht ganz sinngemäß verkündet. Ernst Strasser konnte dies wie kein Zweiter in der Regierung. Mit einem Federstrich, oder besser: mit einem E-Mail, löste er ganze Abteilungen auf, änderte und beendete Karrieren. Anfangs argumentierte er gerne, bestimmte Personalentscheidungen treffen zu müssen, um in der Gendarmerie Ängste vor der Eingliederung zu zerstreuen. Doch in Wahrheit ging es um eine einfache Rechnung: Rot raus, Schwarz rein. Das beinahe ausschließlich SP-dominierte Ministerium wurde völlig gedreht, mehrere prominente Beamte, egal ob in Anzug oder Uniform, wurden ersetzt oder eingespart: etwa Oscar Strohmeyer, Franz Schnabl und Max Edelbacher, der zu einem der heftigsten Kritiker des Innenministeriums wurde... und es bis heute ist.

Strasser setzte aber nicht nur an der Spitze Vertrauensleute ein – die SPÖ hatte es vor ihm nicht anders, wenngleich langsamer gemacht –, sondern bis hinunter in die Kommissariate. Das bezeugen unzählige E-Mails, die Peter Pilz im Abtausch für mediale Berichterstattung fast täglich veröffentlichte.

Viel Macht an einer Stelle

Doch Strasser, der gerne vom „rot-weiß-roten Dienstleistungsunternehmen“ sprach, krempelte auch Strukturen und Arbeitsweisen um: Er machte aus der Staatspolizei sinnvollerweise den Verfassungsschutz, der sich weniger um die Staatsfeinde im eigenen Land denn um potenzielle Terroristen aus dem Land kümmern sollte. Das Bundeskriminalamt machte ebenso Sinn, auch wenn dort viel Macht an einer Stelle war und ist, wie manche meinen. Strasser ließ weiters neue Dienstmodelle und -einteilungen erarbeiten. Viele Beamte sprachen von mehr Aufwand und weniger Sicherheit. Mit zäher Überzeugungsarbeit bei den Uniformierten vor Ort hielten sich Strasser und seine auf ihn eingeschworenen Mitarbeiter, die immer schnell in einflussreiche Positionen des Ressorts befördert wurden, nicht lange auf. Die Frustration stieg und stieg. Selbst Strasser konnte nicht alle, die Widerstand leisteten, austauschen lassen.

Dazu kam eine entscheidende gesellschaftliche Veränderung: Die Kriminalität (Einbrüche, Diebstähle) nahm in den Nullerjahren massiv zu.

Polizei, nicht überzeugend

Österreich ist für den Südosten Europas das erste Land, in dem sich auch ein Einbruch in ein Gartenhaus lohnen kann. Und außerdem kaum verfolgt wird. Die Polizei reagierte weder sehr effizient noch besonders vertrauenserweckend. Strasser trage Mitverantwortung für die schlechten Aufklärungsquoten, sagen Kritiker. Und: Die Reform habe die Polizei derart geschwächt. Wohl auch die Verhinderer derselben. Vielleicht hätte sich Strasser nicht nur mit Reformen und Personalpolitik, sondern mit normaler Polizeiarbeit beschäftigen sollen. Und mit einem besseren Führungsstil.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.01.2010)

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