Kein anderes Feindbild ist der Wiener Stadtregierung so lieb und teuer wie die alte Wenderegierung.
Es gibt kein Problem, für das er nicht verantwortlich ist: Nach der vorherrschenden Meinung in der Wiener Stadtregierung müssen Wolfgang Schüssel und seine Bundesregierung entgegen der Beurteilung aller anderen politischen Beobachter das Land völlig umgekrempelt haben. Und zwar einzig mit dem Ziel, das rote Wien (und vermutlich auch den Rest Österreichs) zu beschädigen. Nachhaltig.
So kommt es, dass in Interviews, Pressekonferenzen und nach Aussagen von Stadträten und natürlich allen Parteisekretären die im Jahr 2000 angetretene Regierung noch immer zu amtieren scheint. Steigende Kriminalität? Schwarz-Blau hat die Polizei kaputtgespart. Schlechtes Niveau in den Schulen? Schwarz-Blau hat Lehrer angebaut. Probleme im Zusammenleben zwischen alten und neuen Wienern? Schwarz-Blau hat die Hausmeister abgeschafft. Fremdenfeindlichkeit? Schwarz-Blau hat sie hoffähig gemacht. Zu wenig Geld im Staatshaushalt? Karl-Heinz Grasser. Das alles werden noch Generationen spüren, so der nicht sonderlich unterschwellige Tenor, der durchgehend mitschwingt.
Ohne die Kabinettsmitglieder der beiden Rechtsparteien würde der Wiener SPÖ die Abgrenzung schwerfallen. Dass am Ballhausplatz mit Werner Faymann nun bereits der zweite Kanzler nach der Wende regiert, den die SPÖ stellt, der lange Wiener Stadtrat war und alles wiedergutmachen könnte, ist nie einer Erwähnung wert. Die Genossen werden wissen, warum.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.01.2010)