Wettbewerb: „Kartellrecht bei Pleiten einbeziehen“

Der Chef der Bundeswettbewerbsbehörde, Theo Thanner.
Der Chef der Bundeswettbewerbsbehörde, Theo Thanner.(c) Michaela Bruckberger
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Der Chef der Bundeswettbewerbsbehörde, Theo Thanner, fordert eine gesamtwirtschaftliche Sicht im Wettbewerbsrecht. Trends sollen einbezogen werden.

Wien. Die Pleiten von Air Berlin und Niki hätten es wieder einmal gezeigt: Der Bestbieter – im konkreten Fall sei es zuerst die Lufthansa gewesen – sei nicht immer auch aus kartellrechtlicher Sicht der Beste. Deshalb fordert der Chef der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB), Theodor Thanner: „Künftig sollte das Kartellrecht bei der Abwicklung von Insolvenzen einbezogen werden.“

Thanner, der auf die Übernahme der Zielpunkt-Filialen durch Spar oder Billa – und auf die Probleme bei Kika/Leiner – verweist, weiß, dass das eine Gratwanderung ist. Einerseits geht es um die Beschränkung von Marktmacht, andererseits um den Erhalt von Unternehmen und Tausenden Arbeitsplätzen. „Wir brauchen dennoch eine gesamtwirtschaftliche Betrachtungsweise“, sagte Thanner am Freitag im Klub der Wirtschaftspublizisten. Der Kauf von Niki durch Airlinegründer Lauda werde am 16. Februar genehmigt.

Einen neuen Zugang wünscht sich Thanner auch bei den Regulierungs-Behörden: Diese sollten – wie in Deutschland – zusammengelegt werden, um Synergien zu nutzen und Parallelstrukturen zu vermeiden. Gemeint sind laut dem BWB-Chef RTR, Schienencontrol, E-Control, FMA und Übernahmekommission.

Seit ihrem 15-jährigen Bestehen hat die BWB 4600 Firmenzusammenschlüsse geprüft und 500 Kartellfälle bearbeitet, wobei 140 Hausdurchsuchungen gemacht wurden. Den „Übeltätern“ wurden 200 Mio. Euro an Geldstrafen aufgebrummt. Die dicksten Brocken betrafen die Handelskonzerne Spar und Rewe, die Aufzugfirmen Kone, Otis und Schindler sowie wiederholt Spediteure.
Hier stehen gleich mehrere Branchen im Fokus:

► Baubranche: Während ein Verfahren wegen kartellrechtswidriger Geschäfte im Bereich Trockenausbau bei mehr als 400 Bauvorhaben abgeschlossen ist, ermittelt die BWB mit der Korruptionsstaatsanwaltschaft noch zu einem großen Baukartell. Es geht um Preise bei öffentlichen Aufträgen. Schon im Vorjahr gab es dazu 100 Razzien. Jetzt werde ausgewertet, und es erfolgen Einvernahmen, sagte Thanner.

► Gesundheit: Dabei geht es um Preisabsprachen und Gebietsschutz sowie die Marktmacht von Pflegeheim-Betreibern. Vor allem aber sind Thanner überhöhte Medikamentenpreise ein Dorn im Auge. Pharmaunternehmen würden versuchen, Monopole für gewisse Medikamente aufzubauen, um dann den Preis zu vervielfachen – so etwa geschehen bei einem Antidepressivum (Anafranil) in Österreich, wo der Fabriksabgabepreis von 3,40 auf 58 Euro geschnellt sein soll. Auch andere Länder ermittelten. „Das ist üble Spekulation“, sagte Thanner.

► Onlinehandel: Preisvergleiche zeigen, dass verschiedene Anbieter dasselbe Produkt oft zum exakt selben Preis anbieten würden. Offensichtlich würden Produzenten nach unten ausscherende Händler zurückpfeifen. Es sind einige Verfahren anhängig. (eid)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.02.2018)


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