Iranerinnen protestieren gegen das Kopftuch

Das Kopftuch ist ein gesetzlich verordnetes Kleidungsstück im schiitschen Gottesstaat Iran. Viele Frauen nehmen es jetzt bei Protesten ab und riskieren damit eine Verhaftung.
Das Kopftuch ist ein gesetzlich verordnetes Kleidungsstück im schiitschen Gottesstaat Iran. Viele Frauen nehmen es jetzt bei Protesten ab und riskieren damit eine Verhaftung.(c) REUTERS (Morteza Nikoubazl)
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Bei Kundgebungen gegen das Regime nehmen Frauen ihre Kopftücher ab. Die Herrschenden sind alarmiert.

Tunis/Teheran. Sie gilt im Iran inzwischen als Ikone. Die 31-jährige Vida Movahed machte Ende Dezember während der landesweiten Unruhen Furore, als sie sich mit ihren langen offenen Haaren kerzengerade an der stark befahrenen Enghelab-Straße in Teheran auf einen Stromkasten stellte und ihr weißes Kopftuch stumm auf einen Stock gespießt in die Luft hielt. Wenig später wurde die junge Mutter eines Säuglings verhaftet, blieb vier Wochen wie vom Erdboden verschluckt. Inzwischen ist sie nach Angaben ihrer Anwältin wieder daheim, offenbar jedoch so schwer eingeschüchtert, dass sie sich nicht mehr in der Öffentlichkeit zeigt.

Stattdessen findet ihr Beispiel nun Nachahmerinnen im ganzen Land. Jeden Tag klettern iranische Frauen demonstrativ auf Telekomverteiler, Straßenpoller oder Parkmauern und schwenken ihr Kopftuch als Zeichen des Protests, junge, modern Gekleidete genauso wie tief verschleierte Konservative. Wie ein Lauffeuer verbreiten sich ihre Fotos und Videos in den sozialen Medien.

Eine junge Frau in Jeans postierte sich direkt gegenüber einer Kaserne der Basij-Milizen, die neben den Revolutionären Garden zu dem Rückgrat des Gottesstaates gehören. Aus der konservativen Pilgermetropole Mashad stammt das Foto einer Iranerin im schwarzen Tschador, die von ihrem Podest aus mit einem Kopftuch am Stock für Wahlfreiheit wirbt, während ihr von der anderen Straßenseite ein Polizist zusieht. Ein anderes Video zeigt eine betagte Dame, die in einem verschneiten Park mühsam auf den Rand eines Brunnens kletterte, ihr weißes Kopftuch auf den Krückstock steckte und es durch die eisige Luft schwenkte.

Rohani äußert sich vorsichtig

Auch wenn das Regime den landesweiten Aufruhr gegen Korruption, Arbeitslosigkeit und soziale Misere am Anfang des Jahres mit fast 4000 Verhaftungen zunächst einmal niederschlagen konnte – im Iran gärt es weiter. Immer mehr Frauen begehren auf gegen ihre moralische Bevormundung durch den Gottesstaat, vor allem gegen den im März 1979 von Staatsgründer Ayatollah Khomeini eingeführten Kopftuchzwang. Und so schlug sich der relativ moderate Präsident Hassan Rohani jetzt vorsichtig auf die Seite des Nachwuchses. „Die Menschen haben recht, wenn sie fordern, wir sollten stärker auf sie achten, ihnen zuhören und auf ihre Forderungen eingehen“, sagte er Anfang der Woche in seiner Rede zum 39. Jahrestag der Islamischen Revolution.

Irans Generalstaatsanwalt Mohammad Jafar Montazeri dagegen gab sich demonstrativ gelassen, tat die Protestaktionen als kindisch und bedeutungslos ab und behauptete, das Ganze sei von Provokateuren aus dem Ausland inszeniert. In Wirklichkeit sind die Hardliner des Regimes alarmiert, weil sich das Aufbegehren immer schneller ausbreitet und über die sozialen Medien in allen Winkeln der Nation Resonanz findet. Und so griff die Polizei in den vergangenen Tagen härter zu und verhaftete nach Angaben iranischer Nachrichtenagenturen 29 Frauen. „Die Iranerinnen haben es seit Langem satt – die Verachtung, die Beleidigungen und die Drohungen“, sagte Nasrin Sotoudeh dazu, eine der führenden Menschenrechtsanwältinnen im Iran. Die Reaktion der Regierung könne sie nicht vorhersagen, erklärte sie, „aber ich gebe ihr den Rat, das Recht der Frauen anzuerkennen, ihren Körper zu kontrollieren und ihre Kleidung selbst zu wählen“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.02.2018)

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