Stadtflucht

Adlerklauen und verkohlte Diamanten

Alte Vitrine, neu gestalteter Inhalt: Die Edelsteinsammlung im NHM Wien ist nach dem ein Jahr dauernden Umbau wieder zu sehen.
Alte Vitrine, neu gestalteter Inhalt: Die Edelsteinsammlung im NHM Wien ist nach dem ein Jahr dauernden Umbau wieder zu sehen.(c) Clemens Fabry
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Das Naturhistorische Museum Wien hat seine Edelsteinsammlung im ehrwürdigen Saal IV wieder eröffnet. Die Exponate wurden im Zuge der Sanierung nicht nur erstmals digital erfasst, sondern für die Besucher moderner in Szene gesetzt.

Der Mensch trägt gern Schmuck – aber wie lang eigentlich schon? Wann haben Menschen begonnen, Naturalien nicht nur für praktische, sondern auch für rein ästhetische Zwecke zu sammeln?

Nun – länger, als man annehmen würde, wie man im Naturhistorischen Museum erfährt. Konkret im frisch renovierten und nach einem Jahr Umbauzeit soeben neu eröffneten Edelsteinsaal (Saal IV), in dem die Edelsteinsammlung des Museums um ein paar sehr alte Exponate erweitert wurde, und zwar um Seeadlerklauen, die 130.000 Jahre alt sein dürften und in Krapina (Kroatien) gefunden wurden. Da diese Tierklauen eindeutig bearbeitet wurden, dürften sie schon von den Neandertalern aus rein ästhetischen Gründen gesammelt und als Schmuck getragen worden sein. Diese Leihgaben aus dem Croatian National History Museum zeigen somit, dass der Neandertaler bereits über die Fähigkeit zu symbolischem Denken verfügt hat, die bisher nur dem Homo sapiens zugeschrieben wurde.

Zu sehen sind die Adlerklauen in jener neu gestalteten sogenannten Pultvitrine, die typisch für die historischen Säle des Hauses sind. Von außen ist die Vitrine wunderbar gediegen geblieben. Innen wurde sie aber dank eines moderneren Beleuchtungskonzepts buchstäblich in neues Licht getaucht. Die Exponate sind nun besser und interessanter ausgeleuchtet als früher, wodurch sich – gerade bei den verschiedenen Edelsteinen – wunderschöne Effekte ergeben: Da wären etwa viele verschiedene Smaragde, die zum Teil aus Österreich stammen, oder ein facettierter Bergkristall. Auch die Opale zeigen sich in ihrer Vielfalt von jenen in kräftigem Blau schimmernden bis zu den gelben.


Wassermelonen. Bei einigen der Edelsteine hält man es kaum für möglich, dass derartige Farben überhaupt in der Natur vorkommen: Wie jener große Fluorit aus Argentinien, der mit seinen Streifen in Gelb, Rosa, Lila und Türkis fast wie ein riesiger Zuckerlblock anmutet. Oder die grün-roten Turmaline, die an klitzekleine aufgeschnittene Melonen erinnern und daher sehr treffend Wassermelonenturmaline heißen.

Man kann sich also am Glitzern und Glänzen der Edelsteine – die Sammlung zählt zu den historisch bedeutendsten in Europa – erfreuen. Da das Naturhistorische Museum aber, wie die Leiterin der Mineraliensammlung, Vera Hammer, bei der Präsentation meint, auch einen Bildungsauftrag hat, kann, wer möchte, hier durchaus auch einiges an Wissen mitnehmen. Nicht nur über den erwähnten Schmuck der Neandertaler. Sondern etwa auch über den Grund, wieso Opale so wunderbar glänzen: weil sie aus kleinsten Silikatkügelchen bestehen. Fällt Licht auf den Stein, wird es je nach Größe dieser Kügelchen unterschiedlich stark gebeugt, was zu dem lebhaften Farbenspiel – in der Fachwelt heißt es Opalisieren – führt.

Zu sehen sind aber auch einige der ältesten Teile der Sammlung: Schmucksteine aus dem 16. Jahrhundert, die aus der Kunst- und Wunderkammer im Tiroler Schloss Ambras stammen und seit Langem im Naturhistorischen Museum sind. Bei einigen Edelsteinen ist es vor allem die Geschichte dahinter, die fasziniert: In einer kleinen Glasschale liegen ein paar Objekte, die auf den ersten Blick wie unspektakuläre grau-schwarze Steinchen aussehen. Tatsächlich handelt es sich aber um kleine Diamanten. Diese holte Kaiser Franz I. Stephan von Lothringen nach Wien, als er 1750 in Florenz die Naturaliensammlung des Gelehrten Jean de Baillou aufkaufte, die 35 Laden mit Edelsteinen enthielt. Der Kaiser hatte die Idee, mehrere kleine Diamanten zu einem großen zusammenzuschmelzen. Dies wollte er mithilfe eines Brennspiegels bewerkstelligen – allerdings gelang der Versuch nicht: Die Diamanten verschmolzen nicht, sondern „verkohlten“. Der Kaiser bekam zwar keinen großen Diamanten, bewies aber so die Brennbarkeit von Diamanten.

Gleich daneben glitzert eine Glasreplik des berühmten Florentiner Diamanten. Dieser 137,27Karat schwere Diamant war lange Zeit der einzig berühmte Diamant im Besitz der Habsburger – seit 1918 allerdings gilt er als verschollen.

Neu hinzugekommen ist ein kleiner Bereich, der sich den Edelsteinsynthesen widmet: Galten sie lang als billigere Fälschung echter Steine, kommen sie heute auch in Technik und Medizin zum Einsatz, etwa Rubinlaser in der Zahntechnik.

Zu lesen sind Informationen wie diese auf den neuen Texttafeln: Auf ihnen sollen jene Fragen beantwortet werden, die während der Führungen am häufigsten gestellt werden. Apropos: Für interessierte Besucher empfiehlt sich jedenfalls eine der Führungen mit unterschiedlichen Schwerpunkten (siehe Infobox). Auch für Kinder gibt es – in den Semesterferien mehrmals täglich – eigene Touren durch die Edelsteinsammlung.

Edelsteine

Naturhistorisches Museum (1., Burgring 7), geöffnet: täglich außer Di, 9–18 Uhr, Mi: 21 Uhr. Die nächsten Führungen durch die Edelsteinsammlung für Erwachsene: 7.2. (18.30 Uhr), 11., 18.2. (15.30 Uhr). Für Kinder ab sechs Jahren: von Mi, 7.2., bis Sa, mehrmals täglich ab zehn Uhr, keine Anmeldung erforderlich, Kosten: vier Euro. www.nhm-wien.ac.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.02.2018)

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