Holocaust-Gesetz: Historiker fürchtet Konsequenzen für Forschung

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"Ich glaube, dass sich Journalisten künftig sehr genau überlegen werden, ob sie über historisch sensible Themen recherchieren und schreiben werden", sagte Gross der "Welt am Sonntag" in Bezug auf das polnische Holocaust-Gesetz.

Der polnisch-amerikanische Historiker Jan Gross befürchtet eine einschüchternde Wirkung auf Lehre, Forschung und Medien durch das jüngst in Polen verabschiedete Holocaust-Gesetz. "Ich glaube, dass sich Journalisten künftig sehr genau überlegen werden, ob sie über historisch sensible Themen recherchieren und schreiben werden", sagte Gross der "Welt am Sonntag". 

Auch die Verlage könnten im Zweifel haftbar gemacht werden, so Gross. Das vom polnischen Parlament verabschiedete Gesetz sieht neben Geldstrafen auch Haftstrafen von bis zu drei Jahren vor, wenn jemand unter anderem "öffentlich und entgegen den Fakten" dem polnischen Volk oder Staat die Verantwortung oder Mitverantwortung für von Nazi-Deutschland begangene Verbrechen zuschreibt.

Wenn nicht mehr öffentlich über Antisemitismus in Polen gesprochen werde, würden auch vom Staat angestellte Lehrer "sehr vorsichtig sein, mit ihren Schülern über die Rolle der Polen bei Pogromen" zu reden, warnte Gross. "Es ist gefährlich, wenn die jungen Leute in Polen nicht um die dunklen Kapitel unserer Geschichte wissen und darum auch mögliche Neuauflagen nicht erkennen." Unrühmliche Kapitel der polnischen Geschichte sollen offenbar aus dem öffentlichen Diskurs verdrängt werden, sagte Gross.

(APA/DPA)

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